Auch 74 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kämpfen Holocaust-Überlebende, die sich zwangsweise in Ghettos in einem Gebiet des nationalsozialistischen Einflussbereichs aufhielten und dort beschäftigt waren, nach wie vor für die Anerkennung ihrer Rechte nach dem heutigen Sozialrecht.
Bereits 2002 versuchte man mit der Verabschiedung des „Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto“ (ZRBG) eine adäquate gesetzliche Regelung zu finden, was jedoch in zahlreichen Verfahren vor den Sozialgerichten und einer unklaren Rechtssituation für Überlebende endete. Im Jahr 2009 änderte das Bundessozialgericht (BSG) seine Rechtsprechung, indem es die gesetzlichen Merkmale der Beschäftigung großzügiger auslegte: ""Aus eigenem Willensentschluss" kann eine Beschäftigung auch dann zustande gekommen sein, wenn für die Ghetto-Bewohner Arbeitspflicht bestand. Es kommt darauf an, dass der betroffene nicht zu einer (spezifischen) Arbeit gezwungen wurde, sondern . . . das "Ob" oder "Wie" der Arbeit beeinflussen konnte." (vgl. Pressemitteilung des BSG Nr. 21 v. 2.6.2009).
Die Diskutanten werden sich den rechtlichen Rahmenbedingungen und den Hürden ihrer praktischen Umsetzung – insbesondere der Glaubhaftmachung der Ghettoarbeit der Antragsteller mehr als 70 Jahre nach den Geschehnissen —sowie möglichen neuen Lösungsansätzen widmen. Zudem soll die noch immer umstrittene Definition eines Ghettos im Sinne des ZRBG thematisiert werden.
Es diskutieren:
- Prof. Awi Blumenfeld, Historiker, Jewish Claims Conference
- Dr. Matthias Röhl, Richter am Bundessozialgericht
- Christoph Schnell, Deutsche Rentenversicherung Bund (Grundsatzabteilung)
- Dr. Avi Weber, Lehrbeauftragter, Justus-Liebig-Universität Gießen, Rechtsanwalt, Tel Aviv
Die Podiumsdiskussion findet in Kooperation mit der Justus-Liebig-Universität Gießen statt, die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei. Wir bitten um schriftliche Anmeldung bis Montag, 02. Dezember 2019 unter sekretariat.marauhn@recht.uni-giessen.de.
Wann? Dienstag, 03. Dezember 2019, 18:15-20:00 Uhr
Wo? Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Baseler Straße 27-31, 60329 Frankfurt a.M.