Entscheidungsmodi in internationalen Organisationen

Internationale Organisationen treffen ihre Entscheidungen nach äußerst unterschiedlichen Regeln. Neben Einstimmigkeit oder einfachem Mehrheitsprinzip haben sich in verschiedenen Organisationen unterschiedlichste Mehrheitsregeln mit verschiedenen Verfahren zur Stimmengewichtung und diversen Formen von Vetomöglichkeiten für einzelne Staaten oder Staatengruppen herausgebildet. Teilweise werden Entscheidungen auch von den Mitgliedstaaten an Organe innerhalb der Organisation delegiert.

Anerkennungsgerechtigkeit und Teilnahmegerechtigkeit

Die Forschung hat das Zustandekommen der unterschiedlichen Entscheidungsmodi bisher vorwiegend unter funktionalen Gesichtspunkten untersucht. Demnach wählen die Mitgliedstaaten für eine Organisation jene Entscheidungsregeln, die eine optimale Bearbeitung der in Frage stehenden Probleme verspricht. Bei der Formulierung von Entscheidungsregeln stehen aber immer auch grundlegende Gerechtigkeitsaspekte auf dem Spiel. Handeln Staaten Entscheidungsregeln aus, geht es nicht nur um die Effizienz der Verfahren, sondern immer auch um Fragen von Anerkennungsgerechtigkeit (wer kommt als Beteiligter an Entscheidungen überhaupt in Frage?) und von Teilnahmegerechtigkeit (wie sollen unter den Beteiligten die Einflussmöglichkeiten verteilt werden?). So kann die Aushandlung neuer oder die Reform bestehender Entscheidungsregeln einen Brennpunkt für Gerechtigkeitskonflikte darstellen, wenn zum Beispiel die gerechte Repräsentation bestimmter Regionen oder Staaten in Entscheidungsgremien eingefordert wird.


Konflikteinflüsse in Entscheidungsverfahren

Das Projekt wendet sich diesen bisher kaum beachteten Gerechtigkeitsfragen zu und untersucht zwei Fragen: Inwieweit beeinflussen Konflikte über Gerechtigkeit die Aushandlung und die Reform von Entscheidungsmodi? Und wie gerecht sind die resultierenden Entscheidungsverfahren verschiedener internationaler Organisationen? Dazu wird zunächst für einen Querschnitt internationaler Organisationen erfasst, welche Entscheidungsmodi dort gefunden wurden. In einem zweiten Schritt werden für die Aushandlung der Verfahren oder für Phasen, in denen die Entscheidungsregeln in Frage gestellt wurden, die Positionen der beteiligten Akteure ermittelt und die Narrative rekonstruiert, mit denen diese ihre Positionen rechtfertigten. Auf dieser Basis können dann die Gerechtigkeitskonflikte herausgearbeitet und ihre Bedeutung und Wirkung auf die Gestalt der Entscheidungsmodi ermittelt werden.

Mitarbeiter/innen:
1
Justifying Inequality as Equality: Germany and the Reform of Voting Weights in the Council of the European Union | 2020

Peters, Dirk (2020): Justifying Inequality as Equality: Germany and the Reform of Voting Weights in the Council of the European Union, in: Global Society, 34:3, 370–387, DOI: 10.1080/13600826.2020.1739631.

Details anzeigen