Übel der Globalgeschichte: Postkoloniales Genozid-Erinnern und glokal verflochtene Aussöhnungspolitik
Das Projekt greift die These der „multi-direktionalen“ Effekte (Rothberg 2009) auf, wonach globalisierte Diskurse und Repräsentationen des Holocaust zu Reinterpretationen kolonialer Massengewalt beigetragen hätten. Der amerikanische Holocaustforscher Michael Rothberg argumentiert, dass das Erinnern an Völkermord durch grenzüberschreitende Prozesse der Interaktion und Aneignung zu einer produktiven interkulturellen Dynamik geführt habe. Die damit in Verbindung stehende Debatte zu ‘Gedenkkonkurrenz’ versus multi-direktionalen Erinnerungsphänomenen hat durch die (macht-)kritische Perspektive des Postkolonialismus besondere Impulse erhalten. Sie hat die Aufmerksamkeit auf die globalgeschichtliche Einbettung kolonialer Massengewalt gelenkt und Diskussionen darüber angestoßen, wie das Erbe des europäischen Kolonialismus, die tiefgreifenden Transformationen, die er erzeugt hat, und deren anhaltende Wirkungen konzeptionell gefasst werden können.
Auf der einen Seite sind so im Laufe der letzten Jahrzehnte die komplexe Gewaltgeschichte des Kolonialismus europäischer Staaten und die daraus resultierenden internationalen Machtverhältnisse zum Gegenstand einer vielschichtigen Forschung geworden, welche die Momente der Multi-Direktionalität globaler kultureller Austauschbeziehungen und deren Implikationen für lokale Handlungsbedingungen ausleuchtet. Auf der anderen Seite ist auch ein neues politisches Feld entstanden, in dem transnationale Initiativen sich für die Anerkennung historischer Verbrechensopfer, für Kompensation und Aussöhnung engagieren, in innerstaatlichen wie auch in internationalen Beziehungen. Diese Entwicklung stünde mit einer „kosmopolitisch-liberalen Empathie“ in Verbindung, hat der britische Politikwissenschaftler Tom Bentley angemerkt: Es sei zu einem normativen Erfordernis geworden, dass Staaten sich von den Gräueltaten ihrer Vergangenheit distanzieren, die mit den liberal konturierten Erscheinungsbildern des 21. Jahrhunderts nicht mehr übereinstimmten. Die einst gefeierten weltweiten „Entdeckungen“ und kolonialen Eroberungen der europäischen Mächte seien wirkungsvoll re-interpretiert worden als große Übel, denen politische Absagen zu erteilen seien; um somit die Schaffung neuer Beziehungen, Narrative und Projektionen zu ermöglichen – mit Blick auf die Vergangenheit, die Gegenwart, und eine mögliche dekolonisierte Zukunft.
Die emergenten Transformationen im Umgang mit dem kolonialen Erbe und der Gewalterinnerung erzeugen neuartige Widersprüche und Spannungen. Mit diesem Verständnis untersucht das Projekt verschiedene Fälle postkolonialer Erinnerungspolitik, die auf Aussöhnung der Nachfolger historischer Täterkollektive mit denen von Opfergruppen abzielen. Es erforscht die Auswirkungen solcher Aktivitäten auf soziale Identitäten, wechselseitige Wahrnehmungen und die Beziehungen von Gruppen zueinander. Wir unterscheiden dabei (1) innerstaatliche Aussöhnungsbemühungen, die typischerweise in Siedlerkolonien auftreten, und (2) grenzüberschreitende Initiativen. Fallstudien erheben auf den verschiedenen Skalen des Handelns die Narrative, Interpretationsrahmen, Aktionsrepertoires und Praxen von Schlüsselakteuren, um Ähnlichkeiten, Unterschiede und multi-direktionale Effekte im Ringen um eine Dekolonisierung zu bestimmen.
- Drei Jahre nach Hanau: Wie inklusiv ist die deutsche Erinnerungskultur? | 2023
Mannitz, Sabine / Scheu, Lea Deborah / Stephanblome, Isabelle (2023): Drei Jahre nach Hanau: Wie inklusiv ist die deutsche Erinnerungskultur?, PRIF Blog, 17.2.2023.
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- A Step Towards Justice: Canada Agrees to Compensate First Nations for Loss of Culture and Language | 2023
Mannitz, Sabine / Kopp, Rita Theresa (2023): A Step Towards Justice: Canada Agrees to Compensate First Nations for Loss of Culture and Language, PRIF Blog, 31.1.2023.
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- Between Geopolitics and Identity Struggle: Why Israel Took Sides with Azerbaijan in the Nagorno-Karabakh Conflict | 2023
Ben Aharon, Eldad (2023): Between Geopolitics and Identity Struggle: Why Israel Took Sides with Azerbaijan in the Nagorno-Karabakh Conflict, PRIF Report 1/2023, Frankfurt/M, DOI: 10.48809/prifrep2301.
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- Approaches to Decolonizing Settler Colonialism: Examples from Canada | 2022
Kopp, Rita Theresa / Mannitz, Sabine (2022): Approaches to Decolonizing Settler Colonialism: Examples from Canada, PRIF Working Papers No. 58, Frankfurt/M, DOI: 10.48809/PRIFWP58.
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- Canada's Violent Legacy | 2022
Mannitz, Sabine / Drews, Friederike (2022): Canada's Violent Legacy. How the Processing of Cultural Genocide is Hampered by Political Deficits and Gaps in International Law, PRIF Report 3/2022, Frankfurt/M, DOI: 10.48809/prifrep2203.
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- Probleme der Aufarbeitung kulturellen Genozids | 2021
Drews, Friederike / Mannitz, Sabine (2021): Probleme der Aufarbeitung kulturellen Genozids. Rechtliche Regelungslücken und politische Defizite am Beispiel Kanadas, PRIF Report 7/2021, Frankfurt/M, DOI: 10.48809/prifrep2107.
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- Kanadas Genozid an den First Nations: Der Aufarbeitungskonflikt braucht Recht und Politik | 2021
Drews, Friederike (2021): Kanadas Genozid an den First Nations: Der Aufarbeitungskonflikt braucht Recht und Politik, PRIF Blog, 29.9.2021.
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- Völkermord an Herero und Nama: Für Versöhnung braucht es viele | 2021
Mannitz, Sabine (2021): Völkermord an Herero und Nama: Für Versöhnung braucht es viele, in: Chrismon plus, September 2021, 10, www.chrismon.evangelisch.de/(...).
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- Gut gemeint genügt nicht: Die Aussöhnung mit Namibia braucht die Zustimmung lokaler Opfergruppen | 2021
Mannitz, Sabine (2021): Gut gemeint genügt nicht: Die Aussöhnung mit Namibia braucht die Zustimmung lokaler Opfergruppen, PRIF Blog, 30.6.2021.
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- Remembering Genocide in Namibia | 2021
Reitz, Núrel Bahí / Mannitz, Sabine (2021): Remembering Genocide in Namibia, PRIF Working Papers No. 53, Frankfurt/M.
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- Transnationales Erinnern an NS-Gewalt und Zweiten Weltkrieg? | 2021
Mannitz, Sabine (2021): Transnationales Erinnern an NS-Gewalt und Zweiten Weltkrieg? Ansätze und Ambivalenzen, in: Behrmann, Roland; Hunecke, Friedrich; Oppermann, Julia (Hg.), Zeitenwende ‘45. Aufbruch in ein neues Europa?, Frankfurt am Main: Wochenschau Verlag, https://wochenschau-verlag.de/Zeitenwende-45-Aufbruch-in-ein-neues-Europa/41250-Print-41251-PDF.
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- Is the work done? Views from Armenians in Germany on the recognition of the Armenian Genocide | 2020
Nikoghosyan, Armenuhi / Göğüş, Sezer İdil (2020): Is the work done? Views from Armenians in Germany on the recognition of the Armenian Genocide, 30.4.2020.
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- Turkey and the "so-called" Armenian Genocide | 2019
Stout, Sean (2019): Turkey and the "so-called" Armenian Genocide. The politics of denial in European and domestic affairs, PRIF BLOG, 24.9.2019.
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- Commemoration of War Dead for Peace Education: Implications from the Case of Germany | 2018
Mannitz, Sabine (2018): Commemoration of War Dead for Peace Education: Implications from the Case of Germany, in: International Journal of Peace Studies, 23:2, 15-32, https://commons.lib.jmu.edu/ijps/vol23/iss2/4.
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