Widerstände und Rückschritte in der Realisierung von gendersensiblen Menschenrechten im Peacebuilding

Auf den ers­ten Blick sah es viele Jah­re so aus, als würde die Norm­ent­wicklung im Bereich der geschlechter­sensiblen Menschen­rechte stetig voran­schreiten. Aus dem Zusammen­spiel von Frauen­bewegungen, geschlechter­sensiblen Menschen­rechts­konventionen und den WPS-Resolu­tionen hat sich bis heute eine Stra­tegie ent­wickelt, die aus Nor­men und Prak­tiken für geschlechter­sensible und -inklu­sive An­sätze der Friedens­förderung besteht, wie z.B. die Be­teiligung von Frauen an Friedens­prozessen oder die Ächtung geschlechts­spezifischer Gewalt (True und Wiener 2019). Trotz dieser be­deutenden Fort­schritte bei der Norm­setzung und -imple­mentierung geschlechter­sensibler Menschen­rechte gab es immer wieder Wider­stände, sowohl auf der multi­lateralen Verhandlungs­ebene als auch bei der lokalen Um­setzung geschlechter­sensibler Menschen­rechte.

Solche Wider­stände oder "backlashes" sind mittler­weile überall in libe­ralen Demo­kratien zu finden und wirken sich auch auf die Um­setzung gender­sensibler Normen in der Friedens­förderung aus. Ein promi­nentes Beispiel ist sicher­lich der kolum­bianische Friedens­vertrag oder der Friedens­prozess in Afgha­nistan. Solche Wider­stände kommen aber nicht immer von konserva­tiven isla­mistischen oder christ­lichen Gruppen, sondern resul­tieren z.B. auch aus der Ab­lehnung eines libe­ralen Verständ­nisses von Menschen­rechten, das spezi­fische kolo­niale Bilder einer un­zivili­sierten Kultur pro­duziert, die Frauen unter­drückt (Chishti 2020). Die viel­fältigen Mani­festa­tionen von gender backlashes in der Euro­päischen Union sind auch zu einem zentralen Bestand­teil femi­nistischer For­schung und des damit ver­bundenen poli­tischen Akti­vismus geworden (Sauer 2019; Kuhar und Paternotte 2017). Dieses Pro­jekt bringt zwei Stränge femi­nistischer For­schung zusammen, die bisher eher getrennt be­handelt wurden: Erstens femi­nistische For­schung zu, aber auch Kritik an, libe­ralen Peace­buildings; zweitens For­schung zu For­men des Wider­stands und des so­genannten gender backlashs im Hin­blick auf gender­sensible Menschen­rechte. Mit diesem An­satz will das Projekt unter­suchen, wie zentrale Akteur:innen mit den ver­schiedenen For­men von Wider­stand und back­lash bei der Ver­wirklichung gender­sensibler Menschen­rechte im Peace­building um­gehen.

Die Normen­forschung in den Inter­natio­nalen Be­ziehungen (IB) wird den theo­re­tischen Rahmen für das Pilot­projekt bil­den, da sie ana­lytische Kon­zepte für die Unter­suchung von Wider­stand, aber auch norma­tive Perspek­tiven auf For­men des Wider­stands, etwa gegen liberales Peace­building oder gegen ein liberales Ver­ständnis von "gender", bietet. Ins­besondere die Kon­testations­forschung, aber auch neuere For­schungen zur Lo­kali­sierung und zu Norm-Anti­preneuren und Norm-Spoilern, bieten inte­ressante Ansatz­punkte für das Ver­ständnis von Wider­stand und gender back­lashes im Peace­building. Die Forschungs­frage lautet daher: Wie gehen zentrale Stake­holder, die gender­sensible Menschen­rechte im Peace­building umsetzen, mit Wider­stand und gender back­lashes um? Durch ein qua­lita­tives Forschungs­design wer­den Daten durch Doku­menten­analyse und Inter­views mit Stake­holdern (Praktiker:innen von NGOs und huma­ni­tären Orga­nisa­tionen, Re­gierungs­vertreter:innen und Wissen­schaftler:innen) ge­sammelt, mit dem Ziel, Fall­studien für wei­tere For­schung auf lo­kaler E­bene zu iden­tifi­zieren. Das Pilot­projekt stützt sich auf reich­haltige For­schungs­ergebnisse aus der Normen­forschung, femi­nistische Kritik am li­beralen Peace­building und Empfehlungen für alter­native Strategien sowie femi­nistische Politik­empfehlungen zum Um­gang mit anti-gender Be­wegungen und gender backlash. Das Pilot­projekt zielt darauf ab, Politik­empfehlungen deduktiv aus den ver­schiedenen femi­nistischen Forschungs­ansätzen abzuleiten, aber auch in­duktiv vor­zugehen, indem Akteur:innen zu ihren Strategien im Umgang mit Wider­stand befragt werden.

Projektleitung:
Mitarbeiter/innen:

Förderer

Deutsche Stiftung Friedensforschung (DSF)
Deutsche Stiftung Friedensforschung (DSF)
www.bundesstiftung-friedensforschung.de