[1] Jeffrey Goldberg: „The Obama Doctrine“, April 2016, www.theatlantic.com/magazine/archive/2016/04/the-obama-doctrine/471525/.            
[2] Uri Friedman: „The Coming War on ‘Radical Islam’“, 29.11.2016, www.theatlantic.com/international/archive/2016/11/trump-radical-islam/508331/.
[3] Mark Perry: „James Mattis’ 33-Year Grudge Against Iran“, 4.12.2016, www.politico.com/magazine/story/2016/12/james-mattis-iran-secretary-of-defense-214500.
[4] Tom LoBianco: „Donald Trump on Terrorists: ‘Take out Their Families’“, 3.12.2015, http://edition.cnn.com/2015/12/02/politics/donald-trump-terrorists-families/.
[5] Nahal Toosi: „Iran Deal Critics to Trump: Please Don’t Rip It up“, 16.11.2016, www.politico.com/story/2016/11/donald-trump-iran-nuclear-deal-231419; Dan Lamothe: „Trump Picks Retired Marine Gen. James Mattis for Secretary of Defense“, 1.12.2016, www.washingtonpost.com/world/national-security/trump-has-chosen-retired-marine-gen-james-mattis-for-secretary-of-defense/2016/12/01/6c6b3b74-aff9-11e6-be1c-8cec35b1ad25_story.html.
[6] Jane Kinninmont: „Many Middle East Countries Will Welcome Trump’s Victory. Here’s Why“, 10.11.2016, www.theguardian.com/commentisfree/2016/nov/10/middle-east-donald-trump-president.

Arabische Welt und Iran: Mehr alter Wein als gedacht

von Daniel Müller und Irene Weipert-Fenner

in: Caroline Fehl und Marco Fey (Hg.), "America first": Die Außen- und Sicherheits­politik der USA unter Präsident Trump, HSFK-Report Nr. 1/2017, Frankfurt/M, S. 34-36.

 

Während in vielen Politikbereichen und Weltregionen die Übernahme der US-Präsidentschaft durch Donald Trump als Beginn einer Zeitenwende gesehen wird, sind mit Blick auf die arabische Welt und Iran eher weniger drastische Änderungen zu erwarten als in anderen Politikbereichen. Zwar ist der neue amerikanische Präsident sicherlich für Überraschungen gut und hat in seinen Wahlkampfäußerungen bereits Tabus gebrochen, aber in einigen Punkten weisen seine Äußerungen auf Kontinuität in der US-Nahostpolitik hin. 

Waren die USA in den letzten Jahrzehnten der wichtigste internationale Akteur im Nahen und Mittleren Osten, so unterzog die Obama-Regierung ihr Engagement in der Region einer Neubewertung. Angesichts zunehmender Unabhängigkeit von Erdöl und -gas im Zuge des „Fracking Booms“ versuchte Präsident Obama, das außenpolitische Engagement der USA stärker nach Asien zu verlagern, um einem erstarkten China entgegenzutreten. Die USA sollten militärisch nur noch gegen Islamisten, allenfalls bei akuter (nuklearer) Bedrohung gegen Iran vorgehen, oder im Fall einer Gefährdung Israels intervenieren [1]. Die Neuorientierung der USA fiel in eine Zeit, in der sich die sicherheitspolitische Lage in der arabischen Welt rapide verschlechterte. Die Transformationsprozesse, die 2011 begannen, sind mit der Ausnahme Tunesiens zum Stillstand gekommen oder gar umgekehrt worden. Mit Syrien, Teilen des Irak, Libyen und dem Jemen befinden sich vier Länder der Region im Bürgerkrieg. Der partielle Staatszerfall ging mit einer zunehmenden Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure wie den sogenannten Islamischen Staat (IS) einher. Der Wettbewerb zwischen Iran und Saudi-Arabien ist eine weitere Ursache bzw. ein Katalysator für den Ausbruch und die Langwierigkeit zahlreicher Konflikte in der Region. Das Erkalten der Beziehungen zwischen Russland und den USA erschwert zudem ein gemeinsames internationales Vorgehen in der Region. 

Sich aus dieser Gemengelage herauszuhalten, hat seinen Preis: Am deutlichsten wurde das Dilemma der Nicht-Interventionsdoktrin Obamas durch das militärische Eingreifen Russlands in Syrien, das den Konflikt zugunsten Bashar al-Assads drehte. Wer jedoch das mangelnde Engagement der USA beklagt, darf nicht übersehen, dass auch westliche Interventionspolitik Verantwortung an der Instabilität der Region trägt. Der Irak-Krieg 2003, die von Frankreich initiierte Intervention in Libyen, die fortwährende Unterstützung nützlich scheinender Autokraten und die Tolerierung bzw. Unterstützung konfrontativer Politiken arabischer Golfstaaten im Interesse der vermeintlich unverzichtbaren Sicherheitspartnerschaft, das alles trug und trägt zur Destabilisierung der Region bei. 

In Trumps oft wenig spezifischen und widersprüchlichen Wahlkampfaussagen lassen sich drei wiederkehrende Punkte finden, die in Teilen dem Weg Obamas, in Teilen dem Ansatz seiner Vorgänger zu folgen scheinen. Trump zeigt 1. eine islamfeindliche Haltung, speziell auch gegen die Islamische Republik Iran, die sich klar von Obama, weniger jedoch z.B. von George W. Bush Jr. unterscheidet. Zudem plädiert Trump 2. für einen Rückzug auf amerikanische Kerninteressen und 3. für Kooperation mit autokratischen Regimen, wenn es nützlich scheint. Beides ist nicht neu, nicht einmal im Vergleich zu Obamas Politik. 

Die anti-islamische Rhetorik der neuen Regierung richtet sich nicht nur gegen Gruppen wie den IS, sondern nebulös gegen „radikal-islamischen Terrorismus“, „radikalen Islam“, „Islamismus“, bis hin zu Muslimen insgesamt. Trump und sein Team, wie z.B. der neue Nationale Sicherheitsberater Michael Flynn oder Mike Pompeo, Aspirant auf den Posten des CIA-Direktors, differenzieren wenig. Es bestehen Ressentiments besonders gegen Iran – Pompeo etwa spricht von „Shia-Radikalismus“ [2] und der designierte Verteidigungsminister Mattis macht im Iran einen “revolutionary cause devoted to mayhem” aus [3]. 

Trump will sich aus Konflikten, die die USA nicht tangieren, heraushalten. Im Unterschied zu Obama will er sich nicht nur von militärischen Interventionen und erzwungenen Regimewechseln, sondern auch von Demokratieförderung, der Verteidigung von Menschenrechten sowie dem nation-building zurückziehen. Dafür scheut er nicht die Kooperation mit Autokraten, solange diese US-Interessen dient. Neu ist der Respekt für „starke Männer“, wie beispielsweise Abd al-Fattah as-Sisi, den ägyptischen Präsidenten und dessen repressives Vorgehen gegen Oppositionsgruppen. Sympathie für autokratisches Vorgehen zeigt Trump auch durch seine Äußerungen zur Anwendung von Gewalt, die er aus einer kurzfristigen Zweck-Mittel-Rationalität legitimiert. US-Interventionen müssten nicht dem „very politically correct war“ der letzten US-Regierung folgen [4].

Vieles von dem mag Wahlkampfrhetorik gewesen sein; nüchtern betrachtet könnte die Nahostpolitik der nächsten US-Regierung folgendermaßen aussehen: In Syrien dürfte die Unterstützung von Oppositionsgruppen zurückgefahren, Russlands Kampagne gegen weite Teile der Opposition (billigend?) hingenommen, das Engagement gegen radikale Gruppen wie den IS und Fatah ash-Sham (vormals al-Nusra) an der Seite Russlands fortgesetzt werden. Washington könnte Iran weiter sanktionieren und isolieren und damit davon ablenken, dass es den Nukleardeal selbst letztlich nicht antasten wird: Im Alleingang, zeigt sich zumindest Mattis überzeugt, können die USA kein besseres Abkommen aushandeln [5]. Russland, dessen Sympathien zu Iran Grenzen kennen, hätte wenig einzuwenden. Begrüßen würden die Autokratien der Region Nichteinmischung in ihre inneren Angelegenheiten. Die Türkei würde sich über ein Ende der Unterstützung kurdischer Gruppen freuen, am Golf sähe man sich durch einen anti-iranischen Kurs fortgesetzter amerikanischer Unterstützung versichert. Angesichts gemeinsamer Interessen u.a. im Sicherheitsbereich könnte Trump die Unterstützung aus der Golfregion für radikalislamische Gruppen so geflissentlich ignorieren, wie die Staaten der Region seine anti-islamische Rhetorik. Die Wogen über einen Wegfall der amerikanischen Unterstützung für die syrische Opposition wären geglättet, die Beziehungen zwischen der Golfregion und den USA als Zweckbündnis gekittet [6]. Eine solche nicht-ideologische, interessengeleitete Zusammenarbeit mit den Regierungen in Moskau und am Golf ließe sich gut mit dem neuen Außenminister Rex Tillerson umsetzen, der als Vorstandschef von ExxonMobil mit all jenen Akteuren seit Langem beste Geschäftsbeziehungen pflegte.

Vielleicht wird sich somit in der Nahostpolitik Trumps weniger Neues finden, als es die Wahlkampfrhetorik erwarten lässt. Nahöstliche Partnerschaften werden wohl beibehalten und die Beziehungen zu Russland verbessert werden. Hinzukommen dürfte eine (noch) höhere Toleranz gegenüber autokratischer Herrschaft und ein (noch) intensiverer Einsatz militärischer Distanzmittel in Form von Luft- und Drohnenkriegführung, ggf. unter Einbeziehung regionaler Verbündeter und von Spezialkräften. Bedenkt man, dass jene Elemente mit zur aktuellen Sicherheitslage im Nahen Osten geführt haben, ist das kaum ein Grund zur Erleichterung. Vielleicht kann eine kluge europäische Politik positive Elemente der sich abzeichnenden US-Außenpolitik (wie Gesprächsbereitschaft mit Russland und mehr militärische Zurückhaltung am Boden) stärken und kritikwürdigen Ansätzen (wie einer Tendenz zu militärischen Lösungen aus der Luft und zur Förderung autokratischer Repression) entgegenwirken. Mit Sicherheit aber hätten es die europäischen Staaten in der Hand, selbst Lehren aus der sicherheitspolitischen Lage des Nahen Ostens zu ziehen. Das wäre durchaus nötig, denn von undurchdachten Interventionen z.B. in Libyen und der Unterstützung, bis hin zur Aufrüstung autokratischer Diktaturen am Golf, machen europäische Staaten ja vielfach selbst jene Fehler im Nahen Osten, die auch bei der künftigen US-Außenpolitik zu befürchten sind.

Wie wird sich die US-Außen- und Sicher­heits­politik unter Donald Trump gestalten? HSFK-Expertinnen und -Experten werfen im HSFK-Report „America first: Die Außen- und Sicherheits­politik der USA unter Präsident Trump“ Blicke auf Themen, die aus Sicht der Friedens- und Konfliktforschung besonders relevant sind.