[1] „Trump: Israeli Settlement Construction in West Bank Should 'Keep Going“, 3.5.2016, http://www.haaretz.com/world-news/u-s-election-2016/1.717730.
[2] Eugene Scott, „Trump pledges to be 'neutral guy' in Israel-Palestinian negotiations“, 19.2.2016, http://edition.cnn.com/2016/02/18/politics/donald-trump-israel-palestinian-neutral/.
[3] „Trump says he’ll make Israel pay for defense aid“, 22.3.2016, http://www.timesofisrael.com/trump-says-hell-make-israel-pay-for-defense-aid/.
[4] Judy Maltz, „Where Does President-elect Donald Trump Stand on Israel?“, 11.11.2016, http://www.haaretz.com/israel-news/.premium-1.752467; Jacob Kornbluh, „Trump Advisors Issue Position Paper on Israel“, 2.11.2016, http://jewishinsider.com/9640/trumps-advisors-issue-position-paper-on-israel/. Zu Friedman siehe Daniela Diaz/Tal Kopan, „Trump picks campaign adviser Friedman as US ambassador to Israel“, 16.12.2016, http://edition.cnn.com/2016/12/15/politics/trump-picks-campaign-adviser-friedman-as-us-ambassador-to-israel/. Zu Kushner siehe Carol Morello, „Jared Kushner’s family foundation donated to West Bank settlements“, 5.12.2016, https://www.washingtonpost.com/world/national-security/jared-kushners-family-foundation-donated-to-west-bank-settlements/2016/12/05/bfb91c3c-bb2b-11e6-94ac-3d324840106c_story.html.
[5] Donald Trump Tweets am 28.12.2016, https://twitter.com/realdonaldtrump/status/814113616110751744, https://twitter.com/realDonaldTrump/status/814114980983427073.
[6] Amir Oren, „Netanyahu Banks on Trump, but History Is Not on His Side”, 31.12.2016, http://www.haaretz.com/israel-news/.premium-1.762157.
[7] John Kerry, „Remarks on Middle East Peace”, 28.12.2016, https://www.state.gov/secretary/remarks/2016/12/266119.htm.

Israel und der Friedensprozess: Trumps Abkehr vom Washingtoner Konsens

von Aviv Melamud

in: Caroline Fehl und Marco Fey (Hg.), "America first": Die Außen- und Sicherheits­politik der USA unter Präsident Trump, HSFK-Report Nr. 1/2017, Frankfurt/M, S. 37-38.

 

Acht turbulente Jahre im amerikanisch-israelischen Verhältnis gingen mit einem Paukenschlag zu Ende: Der UN-Sicherheitsrat erklärte in Resolution 2334 vom 23. Dezember 2016 den israelischen Siedlungsbau in den besetzten Palästinensergebieten, einschließlich in Ost-Jerusalem, als Verstoß gegen internationales Recht und forderte Israel auf, den Bau von Siedlungen umgehend zu stoppen. Der israelische Premierminister Netanjahu bezeichnete die Resolution als „anti-israelisch“ und kritisierte Obama scharf für den überraschenden Verzicht der USA auf ein Veto. So wird es nicht verwundern, dass Trumps Wahlsieg von Netanjahu und der israelischen Rechten gefeiert wird. Insbesondere für den Nahost-Friedensprozess verspricht man sich von Trump einen neuen Ansatz, der besser vereinbar ist mit den Positionen israelischer Hardliner. 

Es ist allerdings schwierig zu antizipieren, wie die Nahostpolitik unter Trump konkret aussehen wird und welchen Stellenwert seine Regierung dem Thema einräumt. Seine Wahlkampfaussagen widersprachen sich und er mäanderte hin und her zwischen Bekundungen, er wolle Israel unterstützen – auch den Bau weiterer Siedlungen im Westjordanland –, er wolle die amerikanische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen und er sei von allen Präsidentschaftskandidaten der größte Israelfreund [1], und Aussagen, die für einen amerikanischen Präsidentschaftskandidaten absolut ungewöhnlich sind. Zum Beispiel kündigte er an, er werde der „neutral guy“ sein – eine Aussage, für die er von anderen Republikanern heftig gescholten wurde – [2], und forderte, Israel solle die Militärhilfe, die es von den USA erhält, zurückzahlen [3]. Während die Wahl Hillary Clintons ein klares „Weiter so“ bedeutet hätte, war es bei Trump also gänzlich unklar, wie er sich – einmal im Amt – konkret positionieren würde. 

Mit der Nominierung seines Schwiegersohns sowie seiner Wahlkampfberater für Schlüsselpositionen in der Nahostpolitik – Jared Kushner als wichtiger Berater im Weißen Haus, David Friedman als amerikanischer Botschafter in Israel und Jason Greenblatt als Sonderbeauftragter für internationale Verhandlungen – kommt nun Licht in das Dunkel. Deren Positionen decken sich mit typischen Positionen israelischer Hardliner. Das deutet auf eine Abkehr vom bisherigen Kurs hin. Bisher galt es als überparteilicher Konsens in Washington, die Zwei-Staaten-Lösung anzustreben und frühere US-Regierungen betrachteten die Siedlungen im Westjordanland als Hindernisse für den Frieden [4]. Tweets des neu gewählten Präsidenten wie „We cannot continue to let Israel be treated with such total disdain and disrespect. […] Stay strong Israel, January 20th is fast approaching!“ [5] bestärken die Vermutung, dass sich die israelische Rechte auf einen drastischen Politikwechsel in Washington freuen darf. Ungehemmter Siedlungsbau, die Annexion der Gebiete im Westjordanland und die offizielle Abkehr von der Zwei-Staaten-Lösung könnten so von Extrempositionen zum anerkannten „Mainstream“ werden. 

Dennoch wird sich erst zeigen, ob Trump tatsächlich mit lange geltenden US-Positionen brechen wird [6]. Und falls er tatsächlich ein Interesse an einer Lösung des Nahostkonflikts hat – immerhin hat er wiederholt erklärt, er wolle in den „womöglich schwierigsten Verhandlungen aller Zeiten“ eine Übereinkunft zwischen Israelis und Palästinensern erwirken – wäre er schlecht beraten, von der lange verfolgten Linie abzuweichen, die John Kerry noch einmal am 28. Dezember 2016 in einer Grundsatzrede zum Friedensprozess bekräftigte. Diese Linie sieht eine Zwei-Staaten-Lösung in den Grenzen von 1967, Landtausch, Jerusalem als Hauptstadt beider Staaten, eine machbare Lösung des palästinensischen Flüchtlingsproblems sowie Sicherheitsgarantien für Israel vor [7].

Trumps Unberechenbarkeit macht es schwierig vorauszusagen, wie seine Nahostpolitik konkret aussehen wird. „Unterstützung für Israel“ kann viel bedeuten. Bereits eine Politik des „Wegschauens“, also eine Duldung des Siedlungsbaus, hilft der israelischen Rechten, Fakten zu schaffen, die die Etablierung eines palästinensischen Staates noch weiter erschweren. Entscheidend wird sein, welche Wichtigkeit der neue Präsident einer Lösung – anstelle eines Verwaltens – des Nahostkonflikts beimessen wird. Letztlich wird die Israelpolitik der Trump-Regierung auch davon abhängen, welchen Ansatz man für die gesamte Region wählt und wie das Verhältnis zu Russlands Präsident Putin gestaltet wird, der im Nahen Osten ganz eigene – und wenig kompatible – Interessen verfolgt. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis sich der Nebel völlig lichtet und die Israelpolitik der neuen Regierung schärfere Konturen bekommt. Eine Abkehr von der langjährigen amerikanischen Israelpolitik steht aber zu befürchten.

Wie wird sich die US-Außen- und Sicher­heits­politik unter Donald Trump gestalten? HSFK-Expertinnen und -Experten werfen im HSFK-Report „America first: Die Außen- und Sicherheits­politik der USA unter Präsident Trump“ Blicke auf Themen, die aus Sicht der Friedens- und Konfliktforschung besonders relevant sind.