Das Militär als Mittel der Außenpolitik: Mehr Kontinuität als Wandel

von Marco Fey und Niklas Schörnig

in: Caroline Fehl und Marco Fey (Hg.), "America first": Die Außen- und Sicherheits­politik der USA unter Präsident Trump, HSFK-Report Nr. 1/2017, Frankfurt/M, S. 8-10.

 

Zwei Mantras waren zentral für Donald Trumps Wahlkampf: Peace through strength und America first. Was lässt sich daraus für den zukünftigen Einsatz des Militärs als Mittel der Außenpolitik schließen? Wird Obamas Politik fortgeschrieben, einerseits den „Fußabdruck“ amerikanischer Streitkräfte – vor allem im Nahen Osten – zu vermindern, andererseits aber vermehrt Kampfdrohnen einzusetzen? Werden sich die USA von ihrer Rolle als Weltpolizei verabschieden? Oder wird Trump die von vielen Republikanern als Politik der Schwäche angeprangerte Außenpolitik Obamas umkehren?

Für eine Lesart, die eine eher zurückhaltende Militärpolitik vermuten lässt, spricht, dass sich Trump während des Wahlkampfes gegen ausgedehnte militärische Interventionen aussprach. Er betonte, gegen den Irakkrieg gewesen zu sein und nannte die Libyenintervention einen groben Fehler [1]. Aus dem Bürgerkrieg in Syrien will er die USA heraushalten. Auf seiner Dankestournee im Dezember verkündete er, unter ihm werde es keine Interventionen geben, die einen Regimewechsel zum Ziel haben: Der „zerstörerische Kreislauf von Interventionen und Chaos muss endlich ein Ende haben“, forderte er [2]. Bisweilen wird er deshalb sogar als Isolationist beschrieben, dem es fern liege, amerikanische Soldatinnen und Soldaten in der Welt einzusetzen. Zuerst müsse an Amerika gedacht werden – America first! Daraus wurde die ein oder andere Hoffnung geschöpft, der Wahlsieg habe aus friedenspolitischer Perspektive vielleicht doch auch etwas Gutes.

Auf eine zunehmend militarisierte Außenpolitik deuten hingegen Trumps bisherige Kabinettsentscheidungen und erste Politikankündigungen hin. Die wichtigsten sicherheitspolitischen Posten sollen an ehemalige Militärs gehen: Sofern sie vom Senat bestätigt werden, werden seinem Kabinett mehr Generäle angehören, als je einem Kabinett zuvor. Der ehemalige Chef des Militärgeheimdienstes DIA, Generalleutnant Michael Flynn, wird sein Nationaler Sicherheitsberater, General James Mattis soll Verteidigungsminister werden und der ehemalige General John Kelly das Heimatschutz-Ministerium übernehmen.

Das Mantra von Trumps Außen- und Sicherheitspolitik ist der Reagan-Ansatz  Peace through strength, also Frieden durch (militärische) Stärke. Dazu soll zunächst das Verteidigungsbudget kräftig erhöht werden. Neue Kriegsschiffe, U-Boote, Kampfflugzeuge und mehr Soldatinnen und Soldaten sollen daraus bezahlt werden. Konkret wurde Trump z.B. bei der Navy: Statt des geplanten Ausbaus von derzeit 272 auf 308 einsatzbereite Einheiten in den nächsten 30 Jahren, brachte Trump das Ziel von 350 Einheiten ins Spiel [3]. Selbst das militärnahe Magazin „Stars and Stripes“ fragte überrascht nach dem „how and why“ [4]. Die Navy unterstützt inzwischen öffentlich Trumps Vorschlag.

Auch die Raketenabwehr und die bereits unter Obama angestoßene umfassende Modernisierung der Nuklearstreitkräfte dürften zu den budgetären Gewinnern zählen [5]. Solch drastischen Ausgabensteigerungen steht zwar noch der sogenannte Budget Control Act entgegen, aber mit den eigenen Mehrheiten im Kongress könnte dieses Hindernis aus dem Weg geschafft werden. Auch scheint Trump mittels gezielter Twitter-Attacken gegen US-Rüstungshersteller die Beschaffungskosten für Verteidigung drücken zu wollen. Im sehr streng regulierten Feld militärischer Beschaffung dürfte dies aber kaum mehr als eine PR-Maßnahme sein.

Der scheinbare Widerspruch zwischen Zurückhaltung und Aufrüstung in Trumps Aussagen löst sich auf, wenn man berücksichtigt, dass der Verzicht auf militärisch erzwungene Regimewechsel keineswegs mit einer isolationistischen Außenpolitik zu verwechseln ist. Während sich eine Konfrontation mit China und eine Annäherung an Russland abzeichnet, scheint man in der neuen Regierung geschlossen der Ansicht zu sein, dass die Obama-Regierung mit dem Iran-Deal einen riesigen Fehler begangen hat. Sollte der Iran-Deal scheitern, könnte die militärische Option schnell wieder im Raum stehen.

Gleichwie man also persönlich zur Frage steht, wie wünschenswert und notwendig amerikanische Interventionen zum Erhalt der liberalen Weltordnung sind, werden die USA unter Präsident Trump aller Voraussicht nach militärische Stärke weniger im Sinne eines „Weltpolizisten“ und viel stärker im Sinne von America first einsetzen. Dass sie sie weiter einsetzen, steht außer Frage.

Bereits während des Wahlkampfs versprach Trump, den sogenannten Islamischen Staat (IS) militärisch zu besiegen und generell überall „radikalen islamischen Terrorismus“ zu bekämpfen. Dieses Ziel dürfte auch weiterhin ganz oben auf seiner Agenda stehen, zumal es von seinem Nationalen Sicherheitsberater vehement geteilt wird. Innerhalb der ersten 30 Tage seiner Präsidentschaft erwartet Trump von seinen obersten Generälen einen Plan, wie der Sieg über den IS „schnell und gründlich“ zu erreichen sei [6]. Die Vereinigten Stabschefs, die den Präsidenten in militärischen Fragen beraten, arbeiten bereits an der Überarbeitung des gegenwärtigen Ansatzes [7].  

Im weltweit geführten Krieg gegen den Terror waren gezielte Tötungen mittels Kampfdrohnen bislang das umstrittenste Mittel der USA. Hier ist keine Abkehr von der unter George W. Bush begonnenen und unter Obama deutlich ausgeweiteten Praxis zu erwarten. Trump sprach sich explizit für Überraschungsangriffe gegen den IS aus [8]  – eine militärische Vorgehensweise, für die sich bewaffnete Drohnen in besonderer Weise eignen. 

Zu einer Akzentverschiebung könnte es jedoch kommen: Erstens ist die von Trump nicht sonderlich geschätzte CIA für die Durchführung vieler umstrittener Drohnenangriffe zuständig. Zweitens kritisierte Flynn 2015 in einem Interview die Kampfdrohneneinsätze als kontraproduktiv [9]. Flynn leitete längere Zeit die Aufklärungsabteilung des Joint Special Operations Command (JSOC), [10] dem unter anderem die Spezialeinheiten Delta und Team 6 der Navy SEALs unterstehen. Es erscheint also plausibel, dass bei gezielten Tötungen die Rolle von Spezialkräften gegenüber Drohneneinsätzen steigen wird. 

Wie der Präsident mit sich abzeichnenden Konflikten im „Cyberspace“ umgehen wird, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Zwar hat Trump eine unverzügliche Überprüfung der amerikanischen Cyber-Verteidigung und kritischen Infrastruktur auf Schwachstellen angekündigt [11]. Ihm selbst ist moderne IT über Twitter hinaus allerdings fremd und der technischen Expertise der US-Geheimdienste steht er skeptisch gegenüber. Trump denkt noch stark in klassischen militärischen Kategorien wie Truppenstärke und Hardware. Lösungen erhofft sich Trump deshalb auch vom Militär, das für die zivile IT-Infrastruktur rechtlich jedoch nicht zuständig ist [12].

Ob es Trump gelingt, mit den zunehmend zentraler werdenden Cyber-Herausforderungen differenziert umzugehen, wird ein zentraler Gradmesser, an dem auch seine Militärpolitik gemessen werden wird.  

 

Wie wird sich die US-Außen- und Sicher­heits­politik unter Donald Trump gestalten? HSFK-Expertinnen und -Experten werfen im HSFK-Report „America first: Die Außen- und Sicherheits­politik der USA unter Präsident Trump“ Blicke auf Themen, die aus Sicht der Friedens- und Konfliktforschung besonders relevant sind.