Rüstungskontrolle: "Let it be an arms race"

von Giorgio Franceschini

in: Caroline Fehl und Marco Fey (Hg.), "America first": Die Außen- und Sicherheits­politik der USA unter Präsident Trump, HSFK-Report Nr. 1/2017, Frankfurt/M, S. 15-16.

Die Rüstungskontrolle steckt global in einer Krise, die zu neuen Spannungen zwischen den Großmächten und zu neuen Rüstungswettläufen führen könnte. Die US-Politik spielt in dieser Krise die entscheidende Rolle, hat sie doch einerseits im letzten Jahrhundert die wichtigsten Pfeiler globaler Rüstungskontrolle errichtet; andererseits aber auch in den letzten zwei Jahrzehnten durch eine rücksichtslose Rüstungspolitik (full spectrum dominance) und die Aufkündigung früherer Rüstungsbeschränkungen (etwa im Bereich der Raketenabwehr) die Stabilität dieser Ordnung gehörig ins Wanken gebracht und strategische Rivalen wie Russland oder China verunsichert.

Die weitere Erosion der Rüstungskontrolle könnte zu einer Nuklearisierung Ostasiens und des Mittleren Ostens, zu einem atomaren Rüstungswettlauf zwischen China, Indien und Pakistan sowie zu einer erneuten Bedrohung Europas durch russische Mittelstreckenraketen führen [1].

Diese schwierige Hinterlassenschaft in Donald Trumps Händen zu wissen, ist beunruhigend. Im Bereich nuklearer Weiterverbreitung hat er zwei besorgniserregende Aussagen gemacht: Erstens versprach er, den iranischen Nukleardeal neu zu verhandeln, was die iranische Atomkrise mit großer Wahrscheinlichkeit wiederaufflammen ließe. Zweitens sympathisierte er offen mit einer möglichen Nuklearbewaffnung Japans und Südkoreas [2]. Während Trump sich mit seinen Iran-Äußerungen noch im republikanischen Mainstream bewegte, stellten seine Statements zu Japan und Südkorea eine dramatische Abweichung zur traditionellen amerikanischen Nichtverbreitungspolitik dar. Diese folgte jahrzehntelang der parteiübergreifenden Maxime, auch im eigenen Einflussbereich die nukleare Weiterverbreitung zu unterbinden. Trumps Ansatz selektiver Nichtverbreitungspolitik – die Freunde dürfen die Bombe haben, die Gegner nicht – bedeutet für die globale nukleare Ordnung nichts Gutes. Auch wenn Trump nach seinen Äußerungen über eine japanische oder südkoreanische Nuklearbewaffnung zurückruderte, hinterließ er unter US-Alliierten doch den Eindruck, dass die Zeit des amerikanischen Nuklearschirms möglicherweise langsam zu Ende gehe und es an der Zeit sei, über eine eigene nukleare Abschreckung nachzudenken [3].

Geringe Kenntnisse über die Rolle amerikanischer Nuklearwaffen zeigte Trump, als er verstörende Fragen über deren Einsatzbedingungen stellte [4]. Washingtons nukleare Zurückhaltung in zukünftigen Konflikten steht damit infrage. Trumps impulsive Persönlichkeit und die geringen Gegengewichte bei präsidialen Entscheidungen zum Kernwaffeneinsatz tun ein Übriges, diese Sorgen zu verstärken [5].

Unter diesen Vorzeichen und unter der Vorgabe, dass Präsident Trump das US-Militär stärken will, wird es bereits als Errungenschaft gelten, wenn die USA wenigstens zwei Pfeiler der Rüstungskontrolle aufrechterhalten: das amerikanische nukleare Testmoratorium von 1992 (an eine Ratifikation des Teststoppvertrages ist nicht zu denken) und Teile der amerikanisch-russischen Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle.

Für letzteren Fall erscheint zumindest der Erhalt der strategischen Rüstungskontrolle (Langstreckensysteme) wahrscheinlich. Trump deutete für diese Systeme sogar mögliche Reduktionen an, sollten die Sanktionen gegen Russland gelockert werden [6]. Das Verbot nuklearer Mittelstreckensysteme allerdings könnte aufgrund anhaltender Kontroversen zwischen Washington und Moskau erodieren, was für die europäische Sicherheit durchaus dramatische Konsequenzen haben könnte [7]. Weitere Abkommen mit Russland, etwa im Bereich nuklearer Kurzstreckensysteme, sind unwahrscheinlich. Was die nicht-nuklearen Aspekte der Rüstungskontrolle betrifft, zeigt sich hingegen ein komplexeres Bild: Sollte Trump tatsächlich, wie im Wahlkampf angekündigt, das Verhältnis zu Russland verbessern wollen, so könnte etwa die konventionelle Rüstungskontrolle in Europa dafür ein wichtiges Instrument werden. 

Wie viel Rüstungskontrolle mit Moskau möglich sein wird, hängt davon ab, ob sich die russlandfreundlicheren Kräfte in Trumps Regierung durchsetzen werden, wie etwa der Nationale Sicherheitsberater Michael Flynn, der Außenminister Rex Tillerson, oder konservative Republikaner im Trump-Kabinett wie der Verteidigungsminister James Mattis. Letztere begreifen Russland als größten Feind und lehnen jede größere Kooperation mit dem russischen Präsidenten Putin ab.

Doch auch für den Fall, dass kein rüstungskontrollpolitischer Dialog mit Russland und anderen strategischen Rivalen gelingen sollte, vertraut Trump ganz auf die eigene Stärke: „Let it be an arms race. We will outmatch them at every pass and outlast them all“ [8].

Wie wird sich die US-Außen- und Sicher­heits­politik unter Donald Trump gestalten? HSFK-Expertinnen und -Experten werfen im HSFK-Report „America first: Die Außen- und Sicherheits­politik der USA unter Präsident Trump“ Blicke auf Themen, die aus Sicht der Friedens- und Konfliktforschung besonders relevant sind.