Ernst-Otto-Czempiel-Preis 2023: Jury ehrt Forschung zu friedensschaffender Wirkung von alltäglichen Handlungen im Krieg

Ernst-Otto-Czempiel-Preis 2023: Jury ehrt Forschung zu friedensschaffender Wirkung von alltäglichen Handlungen im Krieg

Frankfurt am Main, 25. Mai 2023. Das Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung verleiht den diesjährigen Ernst-Otto-Czempiel-Preis an den Politikwissenschaftler Roger Mac Ginty. Die Jury würdigt damit seine Monographie „Everyday Peace: How So-Called Ordinary People Can Disrupt Violent Conflict” von 2021. Mac Ginty untersucht, wie sich Menschen in Konfliktgebieten in alltäglichen Handlungen — sogar im Kampfgeschehen — totalisierenden Kriegslogiken widersetzen und diese unterbrechen können. 

Das Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK/PRIF) vergibt den Ernst-Otto-Czempiel-Preis für die beste Monographie im Bereich der internationalen Friedensforschung der vorherigen beiden Jahre. Der Preis wird seit 2008 verliehen und ist mit 5.000 Euro dotiert. Er ist nach Ernst-Otto Czempiel benannt, einem der Gründer des Instituts und international renommierten Friedensforscher.

Die Jury begründet die Auszeichnung des Buches von Roger Mac Ginty damit, dass der Autor ein zentrales friedenspolitisches Problem in den Blick nimmt und dafür einen außerordentlich innovativen Ansatz wählt: Da Kriegshandlungen vor Ort häufig nicht durch Waffenstillstandsvereinbarungen, Friedensverhandlungen und -abkommen auf offizieller Ebene beendet werden, richtet Mac Ginty den Fokus auf die Ebene alltäglicher Handlungen von Menschen, die im Kontext von Gewaltkonflikten leben. Er untersucht, wie sich Menschen in Konfliktgebieten in alltäglichen Handlungen –sogar im Kampfgeschehen – den sich totalisierenden Kriegslogiken widersetzen und diese unterbrechen können. 

Die Jury, der Dr. Jörn Grävingholt, Prof. Dr. Eva Senghaas-Knobloch und Prof. Dr. Jonas Wolff angehören, hebt in ihrer Begründung zudem das außerordentlich breite und transdisziplinär orientierte Methodenrepertoire des Autors hervor. Sie weist auch darauf hin, dass der Forscher durchgängig genderspezifische Aspekte in den Blick nimmt, die sowohl im Kriegsgeschehen als auch für das Gelingen des alltäglichen Friedenshandelns relevant sind. Ein weiterer Akzent des Buches liegt, wie die Jury würdigt, auf der Bedeutung alltäglicher Friedensbemühungen in Nachbarschaften und Familienstrukturen, durch die beispielsweise Jugendliche von bewaffneten Gruppen ferngehalten oder wieder in einen zivilen Alltag integriert werden.

Jurymitglied und Friedensforscherin Eva Senghaas-Knobloch führt aus: „Anhand alltäglicher Praktiken verdeutlicht der Autor systematisch, dass ‚Everyday Peace‘ auf Basis ziviler Umgangsformen eine untere Ebene und somit eine Grundlage für Frieden bildet, da das Alltagsleben ‚schaltkreisförmig‘ in Verbindung mit anderen Ebenen der Gesellschaft und Politik steht. Soziale Kompetenzen im Alltag können der Eskalation und Kriegsgewalt entgegenwirken und gelten Mac Ginty als ebenso wesentlich wie alle weiteren Dimensionen des Friedens.“

Da Roger Mac Gintys Publikation historisch und geographisch weit über die Gewaltkonflikte in sogenannten „fragilen Staaten“ hinausgreift, die im Fokus der Forschung der vergangenen drei Jahrzehnte standen, verspricht sie nicht zuletzt Erkenntnisse, die auch 2023 angesichts des russisch-ukrainischen Krieges von Bedeutung sein können.

Der Ernst-Otto-Czempiel-Preis 2023 wird im Rahmen der HSFK/PRIF-Jahrestagung am 12. Oktober 2023 in Frankfurt verliehen.

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