Am 31. März und 1. April 2021 veranstaltet der DVPW-Arbeitskreis „Gewaltordnungen“ in Kooperation mit dem Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) den Workshop "Brüche und Kontinuitäten wechselnder Herrschaft in (Post-)Konfliktkontexten" in Frankfurt am Main und online. Dafür wird um Einreichung von Beiträgen gebeten.
Themen des Workshops
Die konzeptuelle Trennung von staatlichen und nicht-staatlichen Akteur*innen (NSAs) wird in der Konfliktforschung schon seit einiger Zeit kritisch hinterfragt. Während einige NSAs versuchen, sich staatlicher Kontrolle zu entziehen oder den Staat aktiv zu unterminieren, ja gar umzustürzen, sind andere mehr oder weniger tief mit staatlichen Strukturen verflochten. Dies ist vor allem bei NSAs der Fall, die sowohl als Gewaltakteur*in also auch als politische Partei agieren, aber auch bei solchen, die durch den eigenen oder dritte Staaten finanziert werden. Insbesondere bewaffnete NSAs sind zudem in der Lage, territoriale Kontrolle zu gewinnen und zu erhalten, so dass sie staatsähnliche Strukturen annehmen. In diesem Kontext ermöglichen Konzepte wie „twilight institutions“ und „Verhandlung von Staatlichkeit“ eine Annäherung zwischen der Forschung zu nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen und staatlichen Akteur*innen. Hier wurde bisher hauptsächlich auf die synchrone Untersuchung von hybrider Herrschaft in einem Gebiet abgehoben.
Die empirische Forschung ist jedoch nach wie vor größtenteils anhand der Trennlinie Rebellengruppen und staatliche Akteur*innen organisiert. Zudem fehlt eine diachrone Untersuchung hybrider Herrschaft. Deshalb wollen wir in dem Workshop vergleichende Perspektiven auf Regierungsinstitutionen (Gerichte, Schulen, Universitäten, Polizei, öffentliche Verwaltung, usw.) sowie deren Praktiken und Diskurse (d.h. im weitesten Sinne Governance) unter der Kontrolle von Rebellengruppen und staatlichen Akteur*innen richten. Insbesondere interessieren uns Brüche und Kontinuitäten unter den Bedingungen wechselnder Herrschaft in (Post-)Konfliktkontexten. Ein Augenmerk liegt hierbei auf der Struktur und den Funktionen dieser Institutionen, ein anderer auf den Erfahrungen der lokalen Bevölkerung.
Welche Institutionen übernehmen Rebellengruppen, nachdem sie ein Gebiet unter ihre Kontrolle gebracht haben, welche gründen sie von neuem? Welche werden lediglich ‚reformiert‘, aber bleiben in ihrem strukturellen Aufbau erhalten? Wie ist der Umgang mit diesen Institutionen andererseits mit den Strategien gegenüber der lokalen Bevölkerung verbunden, und welche Folgen hat dies für die Legitimität der Akteur*innen und Institutionen? Welche Rolle spielt die jeweilige Ideologie der Akteur*innen? Und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es zwischen unterschiedlichen regionalen Konfliktkontexten?
Auf der anderen Seite ist zu fragen, wie staatliche (oder ‚staatsgewordene‘) Akteur*innen mit Institutionen umgehen, die zuvor unter der Kontrolle von Rebellengruppen standen. Während ein radikaler Bruch mit diesen Institutionen plausibel erscheint, vor allem wenn es sich um unterschiedliche Akteur*innen handelt, ist auch die teilweise Übernahme, ähnlich wie bei nicht-staatlichen Akteur*innen, vorstellbar. Wie wird versucht die lokale Bevölkerung durch diese Institutionen (wieder) an den Staat zu binden bzw. auszugrenzen?
Ein dritter Bereich sind die Erfahrungen der lokalen Bevölkerung, die unterschiedliche Herrschaftssysteme, teilweise im Abstand von wenigen Jahren, oder Mischformen erleben. Wie nehmen die Menschen in diesen Gebieten selbst Parallelen und Unterschiede zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Herrschenden wahr? Welchen Institutionen wird überhaupt noch politische Autorität zugeschrieben und wie werden Erfahrungen mit unterschiedlichen Herrschaftssystemen biographisch und alltagsweltlich verarbeitet?
Paper einreichen
Wir laden alle interessierten Forscher*innen dazu ein, bis zum *4.12.2020* kurze Abstracts (ca. 300 Wörter) zu den im Call thematisierten Fragen an Regine Schwab (schwab@hsfk.de) zu schicken. Englische und deutsche Beiträge zu jüngeren Phänomenen, aber auch historische Arbeiten sind willkommen. Vor dem Workshop im März/April 2021 sollen die Konferenzbeiträge als schriftliche Skizzen (ca. 5000 Wörter) zirkuliert werden. Es ist geplant, die Beiträge als Sonderheft einer Zeitschrift zu veröffentlichen.
// Organisatorinnen: Regine Schwab (schwab@hsfk.de) und Hanna Pfeifer (pfeifer@hsfk.de), Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung