Der arabische Frühling und die Demokratieförderung

Jahreskonferenz der HSFK am 28. September 2011

Bis vor Kurzem galt die arabische Welt als weitgehend demokratieresistent, der Versuch, von außen auf eine Demokratisierung der autoritären Regime in der Region hinzuwirken, als aussichtsloses Unterfangen. Die Umbrüche – insbesondere in Tunesien und Ägypten – haben mit den alt eingesessenen Regimen auch solche Gewissheiten erschüttert. Die Jahreskonferenz 2011 der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) nimmt den „Arabischen Frühling“ zum Anlass, um eine Bilanz der internationalen Demokratieförderung im Allgemeinen zu ziehen und nach den Möglichkeiten und Grenzen der externen Unterstützung der politischen Umbrüche in Nordafrika und im Nahen Osten zu fragen.

 

Vertreter aus Theorie und Praxis werden auf der diesjährigen Jahreskonferenz der HSFK ihre Erfahrungen und Ergebnisse austauschen und zur Diskussion stellen. So wird sich im einen Roundtable Dr. Ernst Kerbusch von der Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Vorwurf auseinandersetzen, westliche Demokratieförderungsarbeit oktroyiere den Zielländern westliche Modelle auf, ohne die kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen ausreichend zu berücksichtigen. Zudem stellt er seine These vor, dass die Arbeit der politischen Stiftungen langfristig orientiert ist, da sie auf Prozesse ausgerichtet ist und deshalb ohne kurzfristigen Erfolgsdruck agieren kann. So habe man im arabischen Raum schon lange auf strukturelle Änderungen in demokratierelevanten Sektoren gesetzt. Prof. Dr. Wolfgang Merkel vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung wird eine Bilanz der Demokratieförderung aus seiner Sicht ziehen. Dr. Jonas Wolff, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HSFK, berichtet, dass die Debatte über die internationale Demokratieförderung bislang von Pessimismus gekennzeichnet war. Die Erfahrungen in Irak und Afghanistan und der wachsende politische Widerstand gegen externe Einmischungsversuche gab zu kritischen Rückfragen an das Projekt einer globalen Verbreitung der Demokratie Anlass. Mit dem „Arabischen Frühling“ gewinnt der liberale Optimismus über die Möglichkeiten der Demokratisierung und ihrer externen Förderung an Auftrieb. Jedoch, so Wolff, bleiben die empirisch-praktischen, aber auch die vielfältigen normativen Widersprüche des Versuchs, von außen demokratische Selbstbestimmung zu befördern, weiterhin gewichtig. Er verweist dabei auf die Ergebnisse eines Forschungsprojekts von HSFK und Goethe-Universität Frankfurt, das untersuchte, mit welchen Zielkonflikten Demokratieförderung konfrontiert ist und wie Demokratieförderer mit diesen umgehen.

 

Ein zweiter Roundtable befasst sich speziell mit den Umbrüchen in der arabischen Welt. Auch hier sollen Theorie und Praxis voneinander profitieren. Die Wissenschaft vertreten durch Prof. Dr. Oliver Schlumberger, Eberhard Karls Universität Tübingen, mit seinem Vortrag über internationale Demokratieförderung in der arabischen Welt und Dr. Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Asseburg vergleicht in ihrem Referat über Ursachen, Chance und Risiken des politischen Wandels in Nordafrika und Nahost den „Arabischen Frühling“ mit dem Fall der Berliner Mauer. Der Wandel in der arabischen Welt wird aus den Gesellschaften heraus erkämpft und die Umbrüche dort stellen eine ähnlich bedeutende Zäsur dar wie die Wende von 1989. Denn auch unterhalb der Schwelle eines Regimewechsels haben die Proteste bereits deutliche Auswirkungen auf die arabischen Herrschaftssysteme. Der Handlungsspielraum der Regime hat sich stark verengt, und sie sind stärker als bislang auf die Legitimation ihrer Politik angewiesen. Zugleich ist nicht zu erwarten, so Muriel Asseburg, dass diejenigen arabischen Länder, in denen tatsächlich ein Regimewechsel ein­geleitet wird, politisch und wirtschaftlich eine ähn­lich rasche Transformation durchlaufen werden, wie dies in Mittel- und Osteuropa der Fall war. Asseburg warnt davor, schon jetzt vom Ende der arabischen Autokratien zu sprechen: Insgesamt lässt sich absehen, dass es in den nächsten Jahren nicht nur eine Phase der In­stabilität, die in einigen Fällen auch mit Bürgerkrieg, Staatszerfall oder Sezessionen einhergehen könnte, sondern auch ein breiteres Spektrum an politischen Systemen geben wird, als dies bislang in der arabischen Welt der Fall war.

Die Sicht aus der politischen Praxis wird der stellvertretende Leiter des Arbeitsstabes „Transformationspartnerschaften“, Dr. Michael Reuss, vom Auswärtigen Amt beisteuern.

 

Organisiert wird die Konferenz von Dr. Hans-Joachim Spanger, Leiter des Programmbereichs „Herrschaft und gesellschaftlicher Frieden“. Dieser Programmbereich befasst sich wesentlich mit Fragen der Demokratieförderung und der Demokratisierung. Unter anderem setzt sich der Programmbereich damit auseinander, inwieweit westlich-liberale Konzepte mit ihrem universalistischen Anspruch, exklusiv eine legitime und leistungsfähige Friedensordnung zu repräsentieren, häufig Konflikte verschärfen und dadurch Stabilität und Frieden gefährden. Auch bei den aktuellen Umbrüchen stellt sich die Frage, inwieweit westliche Projektionen diese Entwicklungen zu vereinnahmen suchen.

 

Einführung von Dr. Hans-Joachim Spanger

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Programm

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Dr. Hans-Joachim Spanger

Leiter des Programmbereichs IV „Herrschaft und gesellschaftlicher Frieden“

Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK)

spanger @hsfk .de

 

Babette Knauer

Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit & Fundraising

Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK)

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