Der Beschluss von Ministerin von der Leyen zu MEADS öffnet ein Fass ohne Boden

Presseerklärung vom 9. Juni 2015

Die am 8. Juni vom Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) bekannt gegebene Entscheidung, die Raketenabwehrwaffe MEADS beschaffen zu wollen, läuft Gefahr, finanziell zu einem Desaster zu werden. Das aber steht einem Hauptziel der Ministerin entgegen, den Beschaffungsprozess für militärische Großprojekte grundsätzlich zu reformieren und durchsichtiger zu machen. Auf der Grundlage von vertraulichen Zahlen des Bundesministeriums könnte das erste Großvorhaben der Ministerin den Steuerzahler weit über 5 Milliarden Euro kosten. „Die Angaben des BMVg geben nur einen Teil der Kosten wieder, um das Projekt im Parlament politisch durchzusetzen“, kommentiert Projektleiter Priv.-Doz. Dr. Bernd W. Kubbig, der Mitte März 2015 eine Studie zu MEADS vorgelegt hat.

 

Das Medium Extended Air Defense System soll nicht nur Raketen mit einer Reichweite bis zu 1.000 km abwehren, sondern auch Marschflugkörper, Drohnen und Flugzeuge; es soll die derzeitige Patriot ersetzen. Das ist aber bislang nur auf dem Papier der Fall. Denn das System muss erst einmal mit enormem Kostenaufwand zu Ende entwickelt werden, bevor es getestet und beschafft werden kann. Dies war dem Pentagon, dem wichtigsten Partner des einst trilateralen Projekts, zu riskant. Die USA stiegen aus dem Vorhaben aus, in dem Deutschland und Italien die Juniorpartner waren. „Im nationalen Alleingang ist das MEADS zu vertretbaren Kosten nicht zu schultern. Es taugt deshalb nicht als Grundlage für eine deutsche Luft- und Raketenabwehr“, betont der HSFK-Projektleiter.

 

Es ist zu fragen, ob die Beschaffungsvorlage in ihrer jetzigen Form plausible Szenarien für den Einsatz von MEADS enthält und Bedrohungen präsentiert,  die die Weiterentwicklung und die Beschaffung des Abwehrsystems rechtfertigen. Für die Fassung, die Generalinspekteur Volker Wieker am 21. Januar 2014 gezeichnet hat, traf dies nicht zu. Zu den drei Hauptaufgaben, die der taktischen Abwehrwaffe zugewiesen werden, ist kritisch anzumerken: Erstens, MEADS taugt auch aus Sicht des BMVg nicht zur Landesverteidigung. Zweitens, an der nordöstlichen (Baltikum und Polen) sowie südöstlichen (Türkei) Peripherie der NATO wird das System kurz- und mittelfristig kaum noch benötigt. Die Türkei und Polen, das sich im Sommer 2014 gegen MEADS entschieden hat, schaffen sich eigene Abwehrwaffen an. Drittens, selbst aus Sicht eines hochrangigen BMVg-Vertreters ist man sich des Ausnahmecharakters von Abwehrsystemen bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr zum Schutz der Soldaten bewusst.

 

Zweifel sind zudem angebracht, ob das Ministerium die starken Bedenken einer Gutachtergruppe von Anfang Oktober 2014 zufriedenstellend hat ausräumen können. Denn die BMVg-Spitze beklagte den großen Druck vor allem der bayerischen Rüstungsindustrie und ihrer Verbündeten im Deutschen Bundestag. „Es bleibt ein erheblicher Informations- und Klärungsbedarf vor allem für das Parlament als Kontrollorgan derartiger Großprojekte.“ Kubbigs MEADS-Studie empfiehlt, zur Beschlusslage von Verteidigungsminister de Maizière vom Oktober 2011 zurückzukehren und auf die Einführung von MEADS „in Gänze“ zu verzichten.

 

Kontaktperson:

 

PD Dr. Bernd W. Kubbig
kubbig @hsfk .de
069 959104-36
0176 83454075