Deutschland genehmigt und exportiert Kriegswaffen und Rüstungsgüter in Kriegs- und Krisenländer, in Staaten mit Menschenrechtsverletzungen und in Spannungsregionen. Gerade dort tragen auch deutsche Rüstungsexporte dazu bei, die Rüstungsdynamik anzuheizen und erhöhen so das Risiko, dass vorhandene Konflikte eskalieren und gewaltsam ausgetragen werden.
Dr. Simone Wisotzki, Projektleiterin im Programmbereich Internationale Sicherheit, hat im Auftrag von Greenpeace 30 Jahre deutsche Rüstungsexportpolitik untersucht und zahlreiche Beispiele dokumentiert, in denen Kriegswaffenexporte in Drittstaaten genehmigt worden sind. Dabei sollten solche Fälle eigentlich eine Ausnahme bleiben, sind aber mit Genehmigungswerten von rund 60 Prozent in manchen Jahren zum Regelfall geworden. Wichtigste Abnehmer deutscher Rüstungsexporte sind die Staaten der MENA-Region, aber auch Staaten aus Süd(ost)asien und aus Südamerika. Das grundsätzliche Verbot aus dem Jahr 1971, Kriegswaffen aus Deutschland an Nicht-NATO-Staaten zu liefern, ist einem komplizierten Regelwerk aus Gesetzen, Politischen Grundsätzen und verschiedenartigen Verfahren gewichen, die auf europäischer und internationaler Ebene um weitere Regelwerke ergänzt werden.
Die Studie untersucht die deutsche Rüstungsexportpolitik seit 1990 und blickt insbesondere auf die Genehmigungen an Drittstaaten. Dabei orientiert sie sich in der Bewertung an den acht Kriterien des Gemeinsamen Standpunktes der EU für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern, die den deutschen Politischen Grundsätzen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern ähneln. Die Kriterien orientieren sich am vorhandenen humanitären Völkerrecht, der Charta der Vereinten Nationen und an Menschenrechtsabkommen. So soll die Bundesregierung etwa die innere Lage im Endbestimmungsland im Hinblick auf Spannungen und bewaffnete Konflikte oder auch die Achtung von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht im Empfängerland bewerten.
Die Untersuchung zeigt, dass Deutschland wiederholt gegen diese Kriterien verstoßen hat. Die Studie dokumentiert eine Vielzahl von Fällen in Ländern, in denen mit deutschen Waffen Krieg geführt und schwere Menschenrechtsverletzungen begangen wurden. Im September 2014 ging beispielsweise die Polizei in Mexiko mit G-36-Sturmgewehren aus deutschen Lieferungen gewaltsam gegen Studentenproteste vor und erschoss zahlreiche Studierende. Seit 2015 tobt im Jemen ein blutiger Stellvertreterkrieg, bei dem vor allem die Zivilbevölkerung unter Kriegsgewalt und Hunger leidet. Die Jemen-Kriegskoalition, vor allem aber Saudi-Arabien, verletzt das humanitäre Völkerrecht mit unterschiedslosen Bombardements, die auch zivile Ziele treffen, und mit Seeblockaden. Die Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgüter, die in diesem Krieg zum Einsatz kommen, stammen auch aus Deutschland. Altbestände der Bundeswehr und der ehemaligen Nationalen Volksarmee sind ebenfalls an Drittstaaten abgegeben worden – so etwa Kriegsschiffe nach Indonesien, mit denen 2003 Soldaten in den Bürgerkrieg nach Aceh transportiert wurden.
Die Beispiele der Studie dokumentieren, wie schnell Rüstungsexporte und auch Ausstattungshilfen, beispielsweise auch von Klein- und Leichtwaffen, in den illegalen Kreislauf und auf den Schwarzmarkt gelangen. Die Studie offenbart auch eine Reihe von eindeutigen Regelungslücken in der deutschen Rüstungsexportpolitik, etwa der Trend zur Internationalisierung deutscher Rüstungsunternehmen. So werden Joint-Ventures gegründet, um konflikt- und spannungsträchtige Länder und Regionen mit deutscher Rüstungstechnologie zu versorgen. Diese und andere Regelungslücken sollten mit einem einheitlichen und rechtlich verbindlichen Rüstungsexportkontrollgesetz geschlossen werden, dass dann auch rechtlich durchgesetzt werden muss, so dass deutsche Rüstungsexporte nicht in problematische Drittstaaten gelangen. Rüstungsexporte haben eine lange Halbwertszeit: Die Beispiele der Studie zeigen, dass die Exporte von einst auch viele Jahre später dramatische Auswirkungen haben, wenn sich die politische Situation im Empfängerland so ändert, dass die aus Deutschland gelieferten Waffen eingesetzt werden, um Krieg zu führen, Protestbewegungen gewaltsam niederzuschlagen oder Menschenrechte zu verletzen.