Erste Konferenz zu „Integrierter Erdsystemforschung“

Konferenz des Leibniz-Forschungsnetzwerks thematisiert neuartige Herausforderungen

Luftaufnahme eines Flußbetts.

Integrated Earth System Research. Photo by Anders Jildén via Unsplash.

Unter­suchungen des Anthropozäns decken die komplexen und dyna­mischen Wechsel­wirkungen zwischen der gesell­schaft­lichen Welt und dem Erd­system immer weiter auf. Bei einer inter­nationalen Kon­ferenz am 8. und 9. November haben sich jetzt Forschende aus Natur-, Ingenieur-, Sozial- und Geistes­wissen­schaften gemeinsam der Frage gestellt, wie diese zuneh­menden Wir­kungen besser verstanden und in Richtung einer globalen Nachhaltig­keit ent­wickelt werden können.

Welche Aus­wirkungen hat das Handeln der Menschen auf das Erd­system? Welche Folgen sind mit diesen Aus­wirkungen für die Gesell­schaft verbunden? Und welche Betroffen­heit und Handlungs­optionen für die Politik und jeden Einzelnen ergeben sich daraus? Eine An­näherung an diese Fragen war Gegen­stand der ersten Konferenz zum Thema „Integrierte Erdsystem­forschung“, die vom gleich­namigen Leibniz-Forschungs­netzwerk im Wissen­schafts­park „Albert Einstein“ in Potsdam aus­gerichtet wurde.

Der inter­diszipli­näre Dialog führte zu weit­reichenden Schluss­folgerungen: Generell ist die Wissen­schaft mit ihrer begründeten Organi­sation nach Disziplinen auf die Unter­suchung solch großer Fragen nicht aus­gelegt. Nicht nur zwischen den Natur- und Ingenieur­wissen­schaften einerseits und den Sozial- und Geistes­wissen­schaften anderer­seits gibt es hierfür bisher noch wenige ver­tiefende Bezüge. Gemein­same Rahmen­konzepte, die beispiels­weise Simu­lations­modelle für das Erdsystem in den Kontext der quali­tativen Forschung über gesell­schaftliche Ent­scheidungen und Ver­halten stellen, fehlen. Dem dringenden Beratungs­bedarf von Politik, Wirt­schaft und Zivil­gesell­schaft bezüglich alter­nativer Ent­wicklungs­pfaden und deren Folgen kann in­sofern zurzeit nur ein­geschränkt ent­sprochen werden.

Die Konferenz hat deshalb grund­sätzliche Ansatz­punkte für die zukünftige Forschung abgeleitet. Wichtig sind demnach inter­disziplinäre Termi­nologien und Konzepte für inte­grierte Analysen von natürlichen und gesell­schaftlichen Systemen über etliche räumliche Ebenen und Zeit­horizonte hinweg. Zudem sollten weitere Grund­lagen für die Ableitung von Zielen wie planetare Grenzen und planetare Gerechtig­keit erarbeitet werden. Für das gesell­schaftliche Handeln gilt es schließlich, Kapazitäten und Hebel für gesell­schaftliche Trans­forma­tionen zu iden­tifizieren. Thematisch konkrete Bedarfe für eine Inte­grierte Erd­system­forschung wurden für den Ozean, den Wasser­kreislauf und die Binnen­gewässer, die Bio­diversität, die Bioökonomie, Stadt-Land-Beziehungen, Konflikte, Krisen und Sicherheit sowie Daten und Instrumente diskutiert.

Stefan Kroll von der HSFK war Mit­organi­sator und Moderator des trans­diszi­plinären Panels „Earth System Change and Conflict: Politics of Scale and the Gover­nance of the Earth System“, das ver­schie­dene Perspek­tiven aus den Bereichen Archäo­logie, Anthro­pologie, Wirt­schaft, Inter­nationale Bezie­hungen sowie Friedens- und Konflikt­forschung zusammen­brachte. Hier lieferte HSFK-Forscher Patrick Flamm einen Beitrag darüber, wie „Sicherheit“ im Kontext von Erd­system-Skalen­veränderungs­prozessen neu konzep­tualisiert werden kann, mit einer Hin­wendung zur Widerstands­fähigkeit von Öko­systemen. Die Podiums­diskussion verdeutlichte die Bedeutung der Perspektive der plane­tarischen Gerechtig­keit sowie der Vielfalt der Mensch-Natur-Kulturen und der Wissens- und Wertesysteme.  

Mit Blick auf die parallel statt­findende COP27 wurde deutlich, dass vergleich­bare Verhandlungs­prozesse dringend auch für das Erdsystem insgesamt anzu­streben sind. Das Klima und damit auch Klima­schutz und -anpassung stehen in engem Zusammen­hang mit anderen Kompo­nenten des Erd­systems wie beispiels­weise der biolo­gischen Vielfalt. Die zuneh­mende öffent­liche Aufmerk­samkeit und wachsende Anstrengungen in Bezug auf den Klima­wandel belegen, dass inter­national koor­dinierte und lokal um­gesetzte Akti­vitäten zur Erhaltung des Erd­systems prinzi­piell möglich sind.

Weitere Informationen zur Konferenz sind auf der Website des Forschungsnetzwerks zu finden.