Hessischer Friedenspreis 2014 an Rubem César Fernandes verliehen

Der Direktor der NGO "Viva Rio" wurde für seinen Einsatz zur Förderung einer Kultur des Friedens in den Favelas von Rio de Janeiro ausgezeichnet

Am heutigen Donnerstag, dem 24. Juli 2014, fand im Hessischen Landtag im Rahmen eines Festaktes die Verleihung des Hessischen Friedenspreises 2014 an Rubem César Fernandes aus Brasilien statt. Professor Dr. Michael Brzoska, Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, hielt die Laudatio auf den Preisträger.  

 

Landtagspräsident Norbert Kartmann begrüßte zur Preisverleihung im Musiksaal des Hessischen Landtags zahlreiche Ehrengäste. In seiner Rede machte er darauf aufmerksam, dass der Hessische Friedenspreis in diesem Jahr zum zwanzigsten Mal an herausragende Persönlichkeiten, die sich für eine friedlichere Welt einsetzten, verliehen werde und würdigte den diesjährigen Preisträger. „Mit seiner Wohltätigkeitsorganisation ‚Viva Rio‘ hat Rubem César Fernandes das Leben der Menschen in den Favelas von Rio de Janeiro auf vielfältige Art und Weise positiv beeinflusst. Viva Rio, das ist der Kampf gegen Gewalt und Armut, das ist die Befriedung gerade von Stadtquartieren in den Metropolen. Die Sammlung und Vernichtung von Waffen aus Privatbesitz, die Viva Rio 2001 durchführte, ist beispielsweise immer noch die weltgrößte Aktion dieser Art. Die Tätigkeit von Viva Rio durchdringt viele Ebenen und wird so dem selbstgesetzten Anspruch gerecht, der ‚Förderung einer Kultur des Friedens‘. Sehr geehrter Herr Fernandes, ich gratuliere Ihnen persönlich und im Namen des Hessischen Parlaments sehr herzlich zur Verleihung des Hessischen Friedenspreises“, sagte der Landtagspräsident.  

 

„Rubem César Fernandes hat sich sein ganzes Leben für ein freies, gerechtes und friedliches Brasilien eingesetzt. Durch sein vielfältiges Engagement eröffnet er den Menschen in seiner Heimat eine neue Perspektive und gibt ihnen den Glauben an sich selbst zurück“, gratulierte der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier. Rubem César Fernandes sei ein herausragendes Vorbild und habe im Leben vieler Menschen Spuren hinterlassen. „Mein größter Respekt gehört all denjenigen, die sich persönlich, mit Kraft, Leidenschaft und Mut aus tiefster Überzeugung für ein friedliches Miteinander einsetzen. Rubem César Fernandes ist ein solcher Mensch. Herzlichen Glückwunsch zum Hessischen Friedenspreis“, sagte der Ministerpräsident.  

 

Rubem César Fernandes werde heute für seine Arbeit gegen die Gewalt in Rio de Janeiro geehrt, so Professor Dr. Michael Brzoska in seiner Laudatio. „Auch in Rio de Janeiro ist die Gewaltrate im internationalen Vergleich immer noch hoch. Aber sie ist in den letzten 20 Jahren deutlich gesunken. 1994 lag die Gewaltrate bei fast 70 Prozent, inzwischen liegt sie bei etwa 25. Immer noch sehr viel, aber immerhin ein Rückgang von mehr als 60 Prozent. Das ist umso bemerkenswerter, weil es Anfang der 1990er Jahre so aussah, als wenn Rio bald zur weltweit gefährlichsten Stadt werden könnte. Rio hat weiterhin riesige Probleme mit Gewalt, aber es sind große Fortschritte gemacht worden. Die Arbeit von Rubem César Fernandes und Viva Rio, die dazu in erheblichem Maße beigetragen haben, zeigt, dass und wie es gelingen kann, der Gewalt in Großstädten erfolgreich entgegen zu wirken.  

 

Wenn man unseren heutigen Preisträger nach den Gründen fragt, warum die Gewaltsituation in Rio sich so deutlich verbessert hat, verweist er auf große Veränderungen in der brasilianischen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Und diese hat es zweifellos gegeben. Der Wirtschaft geht es deutlich besser als vor 20 Jahren, und die letzten Regierungen haben eine Reihe von Programmen aufgelegt, um die Armut und Arbeitslosigkeit im Land zu bekämpfen. Aber die Verbesserungen sind auch und in besonderem Masse ein Verdienst von Rubem César Fernandes, unserem Preisträger. Mit seinen Ideen und seinem Gestaltungswillen hat er das Schicksal Rios positiv beeinflusst. Besonders eindrucksvoll durch die von ihm mit gegründeten und seit vielen Jahrzehnten geleiteten Bürger- und Freiwilligen-Organisation Viva Rio.  

 

Rio ist ein Beispiel dafür, dass Großstädte auch in armen Ländern nicht in Gewalt versinken müssen. Rubem César Fernandes hat ein Beispiel dafür gesetzt, wie viel eine Person erreichen kann, die in der Lage und willens ist, Idealismus und Organisationstalent zu vereinen und in der Lage ist, Menschen für eine gute Sache zu mobilisieren“, hob Brzoska abschließend hervor.  

 

Der Vorsitzende des Kuratoriums Hessischer Friedenspreis, vergeben von der Albert Osswald-Stiftung, Staatsminister a.D. Karl Starzacher, verlas anschließend den Text der Urkunde und überreichte diese gemeinsam mit Landtagspräsident Norbert Kartmann dem Preisträger. Darin heißt es:  

 

„Herr Rubem César Fernandes wird mit dem Hessischen Friedenspreis für seinen Einsatz zur Förderung einer Kultur des Friedens und zur Verhinderung der Gewalt in den Favelas von Rio de Janeiro im Rahmen der von ihm 1993 gegründeten Nichtregierungsorganisation ‚Viva Rio‘ ausgezeichnet. Viva Rio engagiert sich in den Favelas von Rio de Janeiro aktiv gegen Gewalt, für soziale Entwicklung und eine Kultur der Gewaltlosigkeit und setzt die genannten Ziele durch Projekte in den Bereichen öffentliche Sicherheit, Bildung, kommunale Entwicklung, Sport und Umwelt um. Seit 2004 ist Viva Rio in Kooperation mit den Vereinten Nationen auch in Haiti mit verschiedenen sozialen Entwicklungsprojekten und in der Katastrophenhilfe aktiv.

Viva Rio ist eine führende zivilgesellschaftliche Organisation gegen privaten Kleinwaffenbesitz in Brasilien. Unter der Leitung von Rubem César Fernandes wurden eine stärkere Regulierung des privaten Waffenbesitzes erreicht und mehr als 500.000 Kleinwaffen eingesammelt. Rubem César Fernandes war Mitglied verschiedener staatlicher und nichtstaatlicher Kommissionen im Bereich der Kleinwaffenkontrolle.

Von 2010 bis 2011 war er Mitglied in der vom Generalsekretär der Vereinten Nationen berufenen Kommission unabhängiger Experten zur Rolle von Zivilorganisationen in Nachkriegssituationen. Für sein unermüdliches Engagement gegen Gewalt und für soziale Entwicklung in den Favelas von Rio de Janeiro, aber auch über diese Stadt hinaus, hat das Kuratorium Hessischer Friedenspreis Herrn Rubem César Fernandes den Hessischen Friedenspreis 2014 zuerkannt.“  

 

In den frühen 1990er Jahren gegründet, sei Viva Rio zuerst eine soziale Bewegung und ein Medienphänomen gewesen, sagte Rubem César Fernandes in seiner Dankesrede. „Viva Rio ist zu einem Dienstleister in radikalen Situationen, bei Armut und bewaffneter Gewalt geworden und weitete seine Arbeit in den Bereichen der Gesundheitshilfe, Erziehung und Konfliktmediation aus. Heute hat Viva Rio über 6000 Mitarbeiter, 95 Prozent arbeiten in den Armenvierteln, in denen bewaffnete Gewalt herrscht. Nachhaltigkeit ist das Schlüsselwort für die Zukunft Viva Rios.

Wir müssen unser Denken erneuern, indem wir die jüngere Generation mit einbeziehen, die Sprachen und neue Technologien beherrscht. Es müssen neue Partnerschaften, auch mit dem privaten Sektor, gebildet werden, um die Möglichkeiten einer nachhaltigen sozialen und ökologischen Agenda zu schaffen“, betonte Fernandes.

 

Der Hessische Friedenspreis und das zugehörige Kuratorium wurden 1993 vom ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Albert Osswald gegründet. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert.

 

Quelle: Hessischer Landtag