Hessischer Friedenspreis für Elisabeth Decrey Warner

Die Präsidentin der Organisation "Geneva Call", Elisabeth Decrey Warner, wird am 28. September mit dem Hessischen Friedenspreis 2012 ausgezeichnet

Das Kuratorium Hessischer Friedenspreis der Albert Osswald Stiftung wird am 28. September 2012 den mit 25.000 Euro dotierten Hessischen Friedenspreis 2012 an die Präsidentin der Organisation Geneva Call, Elisabeth Decrey Warner, verleihen. Die Laudatio wird der Geschäftsführer von medico international e.V., Thomas Gebauer, halten.

 

Dies gaben der Präsident des Hessischen Landtags, Norbert Kartmann, der Vorsitzende des Kuratoriums Hessischer Friedenspreis, Staatsminister a.D. Karl Starzacher, und das geschäftsführende Vorstandsmitglied der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Prof. Dr. Harald Müller, am 28. August in Wiesbaden bekannt.

 


Professor Müller begründete die Vergabe des Preises an Elisabeth Decrey Warner:


„Die Schweizerin Elisabeth Decrey Warner ist Mitbegründerin, Präsidentin und treibende Kraft der Nichtregierungsorganisation (NGO) Geneva Call.
Seit mehr als 25 Jahren ist sie in verschiedenen Nichtregierungsorganisationen tätig. Sie widmete sich dabei unter anderem Flüchtlingsfragen und dem Bereich der humanitären Rüstungskontrolle. Außerdem ist sie in verschiedenen Organisationen für die Umsetzung der UN-Resolution 1325 zur Rolle von Frauen in Friedensprozessen aktiv. Diese Resolution wurde am 31. Oktober 2000 einstimmig vom UN-Sicherheitsrat verabschiedet. In ihr wurden erstmals Konfliktparteien dazu aufgerufen, die Rechte von Frauen zu schützen und Frauen gleichberechtigt in Friedensverhandlungen, Konfliktschlichtung und den Wiederaufbau mit einzubeziehen.
Über ihre Mitarbeit, unter anderem als Koordinatorin der Kampagne in der Schweiz, in der internationalen Bewegung gegen Landminen (die 1997 den Friedensnobelpreis erhielt) kam sie zu der Idee, auch nicht-staatliche bewaffnete Akteure, wie Rebellenarmeen, davon zu überzeugen, keine Landminen mehr einzusetzen.

 

Denn das im Jahre 1997 abgeschlossene Ottawa-Abkommen zum Verbot von Anti-Personen-Minen ist nur für Staaten offen. Nicht-staatliche Akteure können ihm nicht beitreten und sich dadurch auch nicht völkerrechtlich verbindlich auf seine Bestimmungen verpflichten. Dies wiederum ist für einige Staaten der Grund, dem Ottawa-Abkommen nicht beizutreten. Diesen Knoten lösen zu helfen, trug die Organisation Geneva Call maßgeblich bei. Zweck dieser Organisation ist die systematische Werbung bei in bewaffnete Kämpfe verwickelten Führungen von Nicht-Regierungsgruppen, auf den Einsatz von Anti-Personenminen zu verzichten. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass diese Waffen heute ganz überwiegend in innerstaatlichen Konflikten zum Einsatz kommen, in denen fast immer nicht-staatliche Organisationen als Kriegspartei teilnehmen. Opfer des Mineneinsatzes sind überwiegend Zivilisten, die der von diesen Minen ausgehenden Gefahr noch lange nach einem Friedensschluss ausgesetzt sind.

 

Seit 1980 hat Geneva Call mit den Führungen zahlreicher Rebellenarmeen weltweit über einen Verzicht auf den Einsatz von Landminen verhandelt. Insgesamt haben bis jetzt 41 nicht-staatliche bewaffnete Akteure in einer schriftlichen Erklärung ihren Verzicht auf deren Einsatz dokumentiert. Über die Ausweitung des Ottawa-Abkommens auf nicht-staatliche bewaffnete Akteure hinaus setzt sich Geneva Call auch für die Umsetzung des humanitären Völkerrechts durch bewaffnete Gruppen ein, indem z. B. Schulungsangebote zum humanitären Völkerrecht gemacht werden. Geneva Call füllt damit eine klaffende Lücke im Dispositiv der humanitären Rüstungskontrolle, die zu füllen Regierungen vermutlich gar nicht in der Lage wären.
Das erfolgreiche Engagement der NGO Geneva Call hat weltweit viel Beachtung gefunden. Es steht nicht nur für einen wichtigen Baustein im Kampf um die weltweite Ächtung von Landminen, sondern generell für die Stärkung humanitärer Verantwortung nichtstaatlicher Gewaltgruppen. Hier wie da hatte Geneva Call Pionierfunktion und nimmt weiter eine Vorreiterrolle ein. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat die Arbeit an verschiedenen Stellen als „besonderes und erfolgreiches Beispiel“ herausgehoben, so in seinem „Bericht zum Schutz von Zivilisten in bewaffneten Konflikten“ aus dem Jahre 2009 (http://genevacall.org/resources/official-documents/f-official-documents/2001-2010/2009-29may-unsc.pdf).


Für ihre Arbeit erhielt Frau Warner 2006 den Preis der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (International Society for Human Rights). Außerdem war sie eine der „Friedensfrauen“, die 2005 von Frauenorganisationen für den Friedensnobelpreis nominiert wurden.
Neben ihrer Arbeit in Nicht-Regierungsorganisationen war Frau Warner auch in der Politik aktiv. Sie war 12 Jahre lang Abgeordnete und im Jahre 2000/2001 auch Vorsitzende des Parlaments des Kantons Genf. Sie verbindet damit vorbildlich eine politische Tätigkeit für das Gemeinwohl mit einem weit über die Grenzen ihres Landes hinauswirkenden zivilgesellschaftlichen Engagement.“

 

Elisabeth Decrey Warner ist als Physiotherapeutin ausgebildet worden und tätig gewesen. Sie ist verheiratet und Mutter von sechs Kindern. Mit ihr wird zum ersten Mal eine Schweizerin geehrt.


Die Preisverleihung findet am Freitag, dem 28. September, um 11 Uhr im Musiksaal des Hessischen Landtags statt. (Quelle: Hessischer Landtag, Foto: www.genevacall.org)

 

 

Ergänzung: Im HSFK-Report Nr. 5/2010 "Vom Regelbruch zu politischer Verantwortung Die Anerkennung völkerrechtlicher Normen durch nichtstaatliche Gewaltakteure im Sudan" untersucht Stefanie Herr das von Geneva Call entwickelte Deed of Commitment for Adherence to a Total Ban on Anti-Personnel Mines and for Cooperation in Mine Action (DoC). Mit dessen Unterzeichnung sich bewaffnete Gruppen verpflichten, auf den Einsatz, die Produktion, die Lagerung und den Weiterverkauf von Antipersonenminen zu verzichten. Anhand des sudanesischen Gewaltakteurs Sudan People's Liberation Movement (SPLM) und seines militärischen Zweiges (SPLA) zeigt die Autorin welche Faktoren für die Anerkennung des Landminenverbots durch die SPLM/A eine Rolle spielten und welche Empfehlungen für die Praxis sich daraus herleiten lassen.