Die Afghanistan-Intervention infolge des 11. September 2001 war ein gravierender Einschnitt für die deutsche Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik. Das Scheitern in Afghanistan stellt Grundannahmen und Praktiken dieser, aber auch anderer Interventionen in Frage. Die Herausgeber:innen des Friedensgutachtens ziehen in einer Sonderstellungnahme ein Resümee des Einsatzes, analysieren Fehler und sprechen Handlungsempfehlungen für die neue Bundesregierung aus. Die Stellungnahme wurde am 30. September im Rahmen eines Pressegesprächs vorgestellt und online veröffentlicht.
Die Sonderstellungnahme zieht Bilanz und blickt gleichzeitig nach vorne. Herausgeber:innen Prof. Conrad Schetter (BICC), Prof. Christopher Daase (HSFK/PRIF), Prof. Ursula Schröder (IFSH) und Prof. Tobias Debiel (INEF) stellen dabei heraus, dass das Scheitern der Intervention mehr als eine Ursache hat. Vielmehr hätten Unzulänglichkeiten auf der Ebene der multilateralen und europäischen Kooperation, des militärischen Ansatzes sowie des international unterstützten Staatsaufbaus die jetzige Situation herbeigeführt. Und letztlich habe auch das Fehlen einer Exit-Strategie das Scheitern der Mission bedingt.
Defizite der Intervention seien von Seiten der Friedens- und Konfliktforschung seit 2001 immer wieder formuliert und aufgezeigt worden. Für eine systematische Begleitung und Evaluation der Missionen seien jedoch zu wenige Ressourcen zur Verfügung gestellt worden. Nun stelle sich die Frage, was sich für künftige und aktuelle Einsätze daraus lernen lasse – die Evaluierung des deutschen Beitrags in Afghanistan und weiterer Auslandseinsätze der Bundeswehr habe höchste Priorität.
Vor diesem Hintergrund formulieren die Herausgeber:innen des Friedensgutachtens in der Stellungnahme folgende Empfehlungen:
- Unabhängige Kommission zur Zukunft deutscher Friedensmissionen einsetzen
- Deutschen Beitrag zum Kampf gegen den internationalen Terrorismus neu ausrichten
- Realistische Ziele für künftige Einsätze formulieren und an lokale Kontexte anpassen
- Politische Risiken deutscher Auslandseinsätze klarer benennen und Scheitern einplanen
- Europäische zivile und militärische Fähigkeiten stärken
- Wiederaufbau nur mit klarer Strategie und unter Risikoabwägung verfolgen
- Frühzeitig den Exit mitdenken
Adressat:innen der Sonderstellungnahme und der Empfehlungen sind die künftige Bundesregierung sowie der Bundestag. Die vollständige Sonderstellungnahme zu Afghanistan steht auf friedensgutachten.de zum kostenlosen Download zur Verfügung.
Das Friedensgutachten hat Afghanistan in den vergangenen 20 Jahren immer wieder unter verschiedenen Gesichtspunkten thematisiert. Unter friedensgutachten.de/2021/themenseite-afghanistan findet sich nun eine Zusammenstellung aller Beiträge zum kostenlosen Download.
Über das Friedensgutachten
Das Friedensgutachten ist das gemeinsame Gutachten der deutschen Friedensforschungsinstitute (BICC / HSFK / IFSH / INEF) und erscheint seit 1987. Wissenschaftler:innen aus verschiedenen Fachgebieten untersuchen darin internationale Konflikte aus einer friedensstrategischen Perspektive und geben klare Empfehlungen für die Politik.
Mehr Informationen unter friedensgutachten.de