Machtübergangstheorie und die Weimarer Republik

Neues Working Paper überprüft Standardargumente der Machtübergangstheorie anhand des Zufriedenheitsstatus von Deutschland in der Zwischenkriegszeit im 20. Jhdt. und empfiehlt eine Modifizierung der theoretischen Grundannahmen

Deutschland ist für die Machtübergangstheorie (power transition theory, PTT) ein entscheidender Fall: Drei von Deutschland bzw. Preußen initiierte Kriege (der Deutsch-Französische Krieg sowie die beiden Weltkriege) gelten unter Vertretern dieser Theorie als wichtige empirische Bestätigung für ihre zentrale These, dass in Zeiten von Machtübergängen bzw. Machtparitäten das Risiko für Großmächtekriege deutlich ansteigt. Dieses Konfliktpotential realisiere sich jedoch nur, wenn die aufstrebende Macht zudem auch unzufrieden mit der vorherrschenden internationalen Ordnung sei.

 


Ganz wie von der PTT erwartet, stellte Deutschland/Preußen in allen drei Fällen nicht nur eine aufsteigende Macht dar, sondern zeichnete sich auch durch eine eminente Unzufriedenheit mit der vorherrschenden internationalen Ordnung aus. Allerdings gab es zwischen 1870 und 1939 noch zwei weitere Zeitabschnitte, in denen Deutschland eine Machtparität mit der dominanten Macht erreichte, ohne dass es zu einem Krieg kam. Der PTT zufolge blieb es in diesen Zeiträumen friedlich, da Deutschland damals zufrieden mit der internationalen Ordnung gewesen sei.

 

Working Paper No. 28 „Power Transition Theory and the Peculiar Case of Weimarian Germany“ von Carsten Rauch überprüft ebendiesen Zufriedenheitsstatus von Deutschland in der Zwischenkriegszeit. Dabei kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass das Standardargument der PTT, welches der Weimarer Republik Zufriedenheit mit der internationalen Ordnung zuspricht, nicht haltbar ist. Um den Fall der Weimarer Republik dennoch mit der Theorie in Einklang zu bringen, sei es nötig, diese in zwei Punkten zu modifizieren: Zum einen sollte Zufriedenheit nicht mehr als dichotome, sondern als kontinuierliche Variable angesehen werden und zum anderen sollten komplexe Großmächtebeziehungen nicht behandelt werden, als seien sie rein bilaterale Duelle.

 

Für die Interpretation der momentanen globalen Machtverschiebungen und potentiellen zukünftigen Machtübergängen habe diese Modifikationen bedeutende Auswirkungen.

 

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