Für ihre Dissertation „Let’s fight each other another day. How armed opposition groups managed challenges to cooperation and postponed conflict in Syria’s multiparty civil war (2012-2019)” hat Regine Schwab den Christiane-Rajewsky-Preis 2022 der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung (AFK) erhalten. Seit Mai 2020 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HSFK im Programmbereich Transnationale Politik.
Im April 2021 verteidigte sie an der Goethe Universität Frankfurt ihre Dissertation, aus der zwei Veröffentlichungen in Small Wars & Insurgencies und Terrorism and Political Violence entstanden sind. Ein weiterer Artikel befindet sich in Begutachtung. In ihrer Dissertation hat sie sich mit dem komplexen Machtgefüge und den unterschiedlichen Interessen der zahlreichen Oppositionsgruppen im syrischen Bürgerkrieg beschäftigt:
Obwohl nicht neu, haben Mehrparteien-Bürgerkriege in den letzten Jahren zunehmend an Brisanz gewonnen. Diese Konflikte werden noch immer häufig als Zonen der Anarchie dargestellt, in denen zahlreiche Akteure mit unterschiedlichen Loyalitäten und Zielen gegeneinander kämpfen. Auf den ersten Blick scheint der syrische Bürgerkrieg das Paradebeispiel eines solchen Konfliktes zu sein: Tausende meist kleinerer Oppositionsgruppen mit unterschiedlichen Interessen und Ideologien, die von einer Vielzahl konkurrierender Sponsoren unterstützt wurden, agierten mehr gegeneinander als gegen ihren Hauptfeind – das Assad Regime. Unter welchen Bedingungen können diese so unterschiedlichen Gruppen, die sowohl säkulare Akteure als auch globale Dschihadisten umfassen, überhaupt miteinander kooperieren und welche Auswirkungen hat Kooperation und der Zerfall dieser auf den Konfliktverlauf?
Aufbauend auf dem umfangreichen empirischen Material zum syrischen Fall entwickelt Regine Schwab eine neue Typologie der Beziehungen zwischen bewaffneten Gruppen in Mehrparteien-Bürgerkriegen. Drei Fallstudien dienen dazu, die Entstehung, Stabilisierung und schließlich den Zusammenbruch oder die Transformation von drei (Ideal-)Typen von Beziehungen, Alignment, Allianz und Partnerschaft, nachzuzeichnen: erstens das Alignment zwischen kurdischer PYD, Gruppen der Freien Syrischen Armee (FSA) und islamistischen Gruppen; zweitens, die Allianz zwischen dem IS, Jabhat al-Nusra, islamistischen und FSA Gruppen; schließlich bildet die Partnerschaft zwischen Jabhat al-Nusra, islamistischen und FSA Gruppen das empirische Herzstück der Arbeit. Diese Fallstudien decken das ideologische Spektrum der Oppositionsgruppen von säkularen kurdischen Gruppen bis hin zu dschihadistischen Akteuren wie dem IS und Jabhat al-Nusra und zentrale Gebiete des Kriegsgeschehens in Syrien ab. Ein Alignment kann dabei als der flüchtigste und informellste Kooperationstypus verstanden werden, der in der Regel auf einen oder wenige Orte beschränkt ist, wohingegen eine Partnerschaft wesentlich institutionalisierter, stabiler und geographisch weiter verbreitet ist. Eine Allianz ist ebenfalls translokal, jedoch oftmals auf die militärische Domäne beschränkt.
Ein besseres Verständnis der komplexen Beziehungen zwischen bewaffneten Gruppen hat Konsequenzen für die Oppositionsgruppen und für die Zivilbevölkerung, die in von den Rebellen kontrollierten Gebieten lebt. Ebenso hat es praktische Implikationen für einheimische und internationale Unterstützer oder Gegner. Ein fundiertes Verständnis der Beziehungen zwischen bewaffneten Gruppen ist nicht zuletzt zentral für internationale Friedenslösungsbemühungen.
Der Christiane-Rajewsky-Preis wird jährlich von der AFK an Nachwuchswissenschaftler:innen verliehen, die einen herausragenden Beitrag zur Friedens- und Konfliktforschung geleistet haben.