Controversies on foreign civil society support

The funding of NGOs from abroad is often facing restrictions. But there's more to it than sheer arbitrariness (in German only)

Grafik: Meierhofer, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:EU-Entwicklungshilfe.png

von Annika Elena Poppe und Jonas Wolff

In den letzten zehn Jahren haben zahlreiche Staaten Schritte unternommen, um die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Gruppen durch ausländische Regierungen und nichtstaatliche Akteure einzuschränken oder gar vollständig zu unterbinden. Die Strafverfahren gegen ausländische und aus dem Ausland finanzierte NGOs in Ägypten sowie die Schikanen gegen sogenannte „ausländische Agenten“ in Russland sind nur die Spitze des Eisberges: Sie sind Teil eines globalen Trends, der sich über alle Weltregionen erstreckt und eine Vielfalt politischer Regime umfasst. Die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik ist von diesem Trend unmittelbar betroffen, hat sie sich doch die Förderung von Demokratie und Menschenrechten auf die Fahnen geschrieben und kooperiert dafür vielfach mit nichtstaatlichen Organisationen – namentlich über die politischen Stiftungen. Da wundert es nicht, dass sich auch der Deutsche Bundestag des Problems angenommen hat. Derzeit wird in den Ausschüssen ein Antrag der Grünen verhandelt, der die Bundesregierung zu entschiedeneren Maßnahmen gegen „Anti-NGO-Gesetze“ und für zivilgesellschaftliche Freiräume in der Welt bewegen will.

Der Antrag enthält viel Bedenkenswertes. Er spiegelt aber ein generelles Problem der Debatte über Einschränkungen zivilgesellschaftlichen Engagements wider: Diese unterscheidet nicht zwischen der staatlichen Repression lokaler Zivilgesellschaften auf der einen Seite und Restriktionen, die sich gezielt gegen die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen aus dem Ausland richten, auf der anderen. Die externe Zivilgesellschaftsförderung ist aber eine zu Recht umstrittene Praxis, die besondere staatliche Regulierung durchaus rechtfertigt. Eine ernsthafte Auseinandersetzung darüber, was (angemessene) Einmischung von außen darstellt und was nicht, ist wichtig und legitim. Das fällt in Plädoyers für unterdrückte Zivilgesellschaften leider häufig unter den Tisch.

Laut dem UN-Sonderberichterstatter für Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Maina Kiai, auf den sich auch die Grünen berufen, ist das Recht auf einen uneingeschränkten Zugang zivilgesellschaftlicher Gruppen zu ausländischer Unterstützung genuiner Bestandteil der Menschenrechte. Er beruft sich hierbei auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Zivilpakt), eines der zentralen Menschenrechtsabkommen der Vereinten Nationen. Kiai argumentiert, dass das Recht auf Versammlungsfreiheit auch die Möglichkeit einschließt, frei über „Ressourcen aus lokalen, ausländischen und internationalen Quellen“ zu verfügen. Der UN-Sonderberichterstatter weist das Argument, dass Restriktionen internationaler Zivilgesellschaftsförderung dem Schutz der nationalen Souveränität dienen könnten, als „eine illegitime Ausrede“ zurück. Und obwohl das Recht auf kollektive Selbstbestimmung im ersten Artikel des Zivilpakts festgeschrieben ist, findet es bei Kiai keine Erwähnung. In diesem Sinne gilt auch den Grünen der Vorwurf einer ausländischen „Einmischung in staatliche Souveränität“ als bloße Diffamierung.

Das ist eine reichlich einseitige Interpretation der völkerrechtlichen Grundlagen. Kiais Interpretationsbemühungen zum Trotz stützt sich die externe Zivilgesellschaftsförderung bestenfalls indirekt auf etablierte internationale Normen. Die Prinzipien nationaler Souveränität und kollektiver Selbstbestimmung hingegen sind zwar in ihrer Bedeutung umstritten, bilden aber unzweifelhaft Grundpfeiler unserer Weltordnung. Zudem sind sie Fundament der Demokratie: Grundsätzlich weisen demokratische Regime externen Akteuren, die weder ihrer politischen Autorität unterstehen noch dem demos angehören, keine legitime Rolle zu. Und angesichts andauernder Erfahrungen des globalen Südens mit politischem Paternalismus, wirtschaftlicher Ausbeutung und offenem oder verdecktem Interventionismus sind Vorbehalte gegenüber externer Einmischung auch in den Bevölkerungen häufig weit verbreitet. Dies ist nicht zuletzt den asymmetrischen Machtverhältnissen und post-kolonialen Beziehungsmustern geschuldet, in die internationale Zivilgesellschaftsförderung eingebettet ist.

Damit soll keineswegs bestritten werden, dass das Souveränitätsargument Regierungen häufig als Vorwand dient, die Unterdrückung unliebsamer Opposition zu rechtfertigen. Normative Argumente werden – allerdings von allen Seiten – in der Tat immer wieder strategisch als Feigenblatt für die Verfolgung anderer Interessen verwendet. Aber dessen ungeachtet wirft die Praxis ausländischer Zivilgesellschaftsförderung schwierige normative Fragen auf, die weder mit dem bloßen Verweis auf „die Menschenrechte“ noch mit der schlichten Diffamierung des Souveränitätsarguments von der Hand zu weisen sind. Für die aktuelle politische Debatte folgt daraus vor allem eines: Wer sich weltweit gegen die Einschränkung zivilgesellschaftlicher Freiräume einsetzen will, sollte den eigenen Einsatz für zivilgesellschaftliches Engagement und das Recht auf Vereinigungsfreiheit nicht dadurch schwächen, dass er oder sie es mit der Vorstellung eines umfangreichen Rechts auf ausländische Zivilgesellschaftsförderung vermischt.


Dieser Text ist als Gastbeitrag am 14. Juli 2016 in der Frankfurter Rundschau erschienen.

Ein umfangreicherer Beitrag zum Thema ist unter dem Titel "Ungebetene Gäste" im Magazin Welt-Trends (Ausgabe 8/2016) erschienen.

Eine ausführliche Analyse des Themas findet sich im HSFK-Report „From Closing Space to Contested Spaces. Re-assessing Current Conflicts over International Civil Society Support“ von Annika Elena Poppe und Jonas Wolff.