Crisis Talk zu EU-Russland-Beziehungen

Veranstaltung des Leibniz-Verbundes „Krisen einer globalisierten Welt“ nahm Konflikte zwischen EU und Russland in den Blick

Crisis Talk zu EU-Russland-Beziehungen (Foto: Eric Berghen)

Prof. Dr. Nicole Deitelhoff (Foto: Eric Berghen)

27. September 2016, Brüssel

Die EU-Russland-Beziehungen sind gekennzeichnet durch multiple, sich wechselseitig verstärkende Krisen­ereignisse, die in den offenen Konflikten in Syrien und der Ukraine derzeit ihre schärfste Zuspitzung erfahren. Dieses Verhältnis war Gegenstand des dritten Crisis Talk des Leibniz-Forschungs­verbundes „Krisen einer globalisierten Welt“ zusammen mit seinen Partnern - dem Frankfurter Exzellenz­cluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ und dem Brüssel-Büro der Leibniz-Gemeinschaft.

Der Hessische Staatssekretär für Europaangelegenheiten, Mark Weinmeister und Prof. Dr. Nicole Deitelhoff, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der HSFK, betonten schon in ihren Grußworten, dass man sich in der EU der unterschiedlichen Erfahrungen der Mitgliedstaaten und ihrer Bedeutung für die Russland­politik bewusster werden müsse. Ein Thema, welches in der von Prof. Dr. Peter Haslinger, Direktor des Herder Instituts für historische Ostmitteleuropaforschung in Marburg, moderierten Veranstaltung direkt aufgegriffen wurde.

Dr. Anna Veronika Wendland
, ebenfalls vom Herder Institut, arbeitete mit Blick auf die Ukraine heraus, dass Europa zwar Recht daran tue, auf einem Bruch mit der postsowjetischen klientelistischen Regierungs- und Wirtschaftsform zu bestehen, dennoch aber erkennen müsse, dass solche Entwicklungen Zeit und Unterstützung bräuchten. Was unmittelbar geschehen müsse, sei die Hinwendung zu einer realistischen Ukrainepolitik, die sich auf einzelne entwicklungs­fähige Politikfelder konzentriere und in diesen gemeinsame Ansätze entwickle – was sie am Beispiel der Energiepolitik veranschaulichte.
Dr. Jan C. Behrends, Projektleiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam, legte in seinen Ausführungen dann den Schwerpunkt auf die Russland-Beziehungen als solche und betonte, dass bis zu den Sanktionen 2014 eigentlich keine einheitliche europäische Russlandpolitik existiert habe. Die EU müsse lernen, ihre Positionen offensiv zu vertreten und Klarheit und Ehrlichkeit auch im Fall negativer Auswirkungen auf das Verhältnis zu Russland beizubehalten. Dazu gehöre auch, dass man Russland besser verstehen müsse, etwa den sich dort derzeit vollziehenden regime change vom frühen zum späten Putinismus, welcher durch eine größere Aggressivität und Klientel­politik markiert sei.
Rebecca Harms, Vorsitzende der Fraktion der Grünen/EFA im Europäischen Parlament, ergänzte diese Positionen mit eigenen Erfahrungs­berichten und Überlegungen zur fehlenden Sensibilität Europas für die wirklichen Probleme in der Ostukraine. Sie betonte, wie schwer es falle, in der Europäischen Union angesichts russischer Propagandaoffensiven und eines alten Denkens an der ursprünglich von der EU beschlossenen Linie festzuhalten. Außerdem herrsche in der Ukraine Fassungslosigkeit  über die fehlende Empathie Europas. Die Diskussion um ein Ende der Sanktionen und eine ‚Normalisierung‘ der Beziehungen zu Russland sei – nicht zuletzt angesichts der aktuellen Kriegssituation in Syrien – vollständig fehlgeleitet.

Die anschließende Diskussion mit dem Publikum konzentrierte sich  einerseits auf die Frage der Beeinflussbarkeit europäischer Öffentlichkeiten, deren Emotionalisierung und Propaganda­resistenz, und zum anderen auf die Frage, wie eine gute, den Interessen Europas wie der Ukraine gerecht werdende Energiepolitik gestaltet sein müsse.