Museen haben eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von normativen Bildern und Narrativen politischer Gewalt. Sie heben bestimmte Formen, Momente und Motive gewaltförmigen Handelns hervor und lassen andere unsichtbar. Sie schaffen Angebote für kollektive Deutungen und nehmen so teil an der höchst politischen Praxis der Abgrenzung von legitimer und illegitimer Gewalt: Was gilt als „Terrorismus“, was als „Befreiungskampf“, „Verteidigung“ oder „Aufstand“? Welche Akteure waren und sind wann berechtigt, Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele anzuwenden? Wessen Geschichte soll erzählt werden, was unerwähnt bleiben?
Postkoloniale Perspektiven haben die Legitimations- und Macht erhaltenden Funktionen vieler etablierter Erzählungen und Bilder in musealen Räumen aufgedeckt und ihre Umstrittenheit gezeigt. Es werden Debatten geführt und Verfahren entwickelt zur Repatriierung von Artefakten, die mittels Zwang und Gewalt in Museen v. a. von ehemaligen Kolonialstaaten gelangt sind. Die mit solchen Sammlungen verbundenen Rechtfertigungen und Konzepte sind ebenso unter Druck geraten wie beschönigende Darstellungen von Eroberung und Unterwerfung. Zugleich entstehen neue Repräsentationen historischer wie zeitgeschichtlicher politischer Gewalt; im Zuge der Dekolonisierung von Sammlungen und Ausstellungen, bei der musealen Aufarbeitung von Bürgerkriegen, Herrschaftsgeschichte und Menschenrechtsverbrechen, aber auch durch gezielte Inszenierungen heutiger Gewaltakteure.
Sabine Mannitz und Larissa-Diana Fuhrmann sind auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie (DGSKA) zu dem Thema „Umstrittenes Wissen / Contested Knowledge: Ethnologische Perspektiven“ mit einem Workshop präsent. Ihr eintägiger Workshop am 26. Juli 2023 trägt den Titel „Repräsentationen Politischer Gewalt in Musealen Räumen: Dekoloniale Strategien, Umstrittene Erinnerung und Transformatives Potential“.
Der Workshop untersucht, mit welchen Formen und Wissensbeständen in musealen Kontexten an politische Gewalt erinnert wird und fragt nach ihrem transformativen Potenzial für die soziale Verarbeitung von Gewalterfahrungen: Welche Deutungen der Gewalt werden dem Publikum nahegelegt? Wer bestimmt sie, und mit welcher Intention? Werden dekoloniale Strategien und Formen von Koproduktion genutzt? Welche Erkenntnisse zu Wirkungen liegen vor?
Mit empirisch, theoretisch oder kuratorisch orientierten Beiträgen beteiligen sich neun Referent:innen:
- Zoë De Luca, McGill University,
- Birgit Bräuchler, University of Copenhagen
- Alexander Supartono, Edinburgh Napier University
- Anika Oettler, Philipps Universität Marburg
- Sabine Mannitz, PRIF
- Rita Theresa Kopp, Universität Jena
- Kaya de Wolff, Goethe-Universität Frankfurt,
- Sebastian Köthe, Zurich University of the Arts
- Larissa-Diana Fuhrmann, Universität Mainz
Wann: 26. Juli 2023, 11:00-14:00 Uhr
Wo: Deutsche Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie c/o Institut für Ethnologie, Ludwig-Maximilians-Universität München, Oettingenstr. 67, D-80538 München, Raum DZ003
Weitere Informationen zur DGSKA-Tagung sowie das vollständige Programm sind auf der Website der DGSKA zu finden.