Die rüstungskontrollpolitischen Initiativen Deutschlands

PRIF-Studie im Auftrag von Greenpeace untersucht Erfolg des deutschen Engagements

Artwork: K. Rinne/Greenpeace

Der PRIF-Programm­bereich Internationale Beziehungen hat im Auftrag von Greenpeace die deutsche Rüstungs­kontrollpolitik der letzten zehn Jahre unter­sucht. Die Studie, die am 6. Dezember 2023 bei ZEIT-Online erschienen ist, analysiert, welche zentralen rüstungskontroll­politischen Initiativen von deutscher Seite ange­stoßen wurden und welche Dynamik diese entfalten konnten. Das Spektrum der unter­suchten Initiativen reicht vom Nuklearwaffen­bereich über Bio- und Chemie­waffen bis hin zu neuen Techno­logien. Diese werden vor dem Hinter­grund welt­politischer Krisen, wie der Covid-19-Pandemie und dem russischen Angriffs­krieg gegen die Ukraine, analysiert. Die PRIF-Forscher*innen sehen in dem fort­gesetzten deutschen Engagement in der Rüstungs­kontrolle einen wichtigen Beitrag zur Stärkung einer multi­lateralen Welt­ordnung.

Für ihre Studie haben die PRIF-Forscher*innen eigens eine Typo­logie entwickelt, die das Engagement für oder gegen Rüstungs­kontrolle beschreibt. Auf dieser Grund­lage stellen sie auf deutscher Seite eine deutliche Unter­stützung für die Entwicklung, den Erhalt und die nach­haltige Umsetzung von Rüstungs­kontrollmaß­nahmen fest. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Deutsch­land sehr oft die Rolle des Unter­stützers einnimmt, oft auch als Initiator von rüstungs­kontroll­politischen Maßnahmen auftritt, selten hingegen die Rolle des Zögerers oder gar des Blockierers ein­nimmt, wie etwa im Fall des Atomwaffen­verbotsvertrages (AVV).

Als bemerkens­wert kennzeichnen die Forscher*innen des PRIF die viel­fältigen Ansätze des deutschen Engagements, aber auch die vari­ierende Intensität der Bemühungen, die oft weit über das jeweilige Ab­kommen oder politischen Absichts­erklärung hinausgeht. Nicht zuletzt stellen sie Ambi­valenzen in der deutschen Politik fest. Diese werden beispiels­weise in der nuklearen Rüstungs­kontrolle sichtbar, in der sich Deutsch­land zum einen bemüht, Konver­genzen zwischen Kern­waffenstaaten und Nicht-Kernwaffen­staaten im Hinblick auf die schritt­weise Abrüstung zu ermitteln. Zum anderen trägt Deutsch­land weit­reichendere Ansätze im Nuklear­bereich nicht mit. Eine solche Ambi­valenz findet sich auch im Engagement im Zuge des inter­nationalen Waffenhandels­vertrags (ATT) und der deutschen Rüstungs­exportpolitik.

Auch bei den neuen Techno­logien ist Deutsch­land in vielen Feldern der Rüstungs­kontrolle aktiv, vor allem in Hinblick auf vertrauens­bildende Maßnahmen im Cyber­raum oder der Stärkung des Träger­technologie-Kontroll­regime (Missile Technology Control Regime (MTCR)). Das deutsche Engagement stößt jedoch dann an Grenzen, wenn eigene nationale sicher­heits- und wirtschafts­politische Interessen Vorrang haben, wie im Fall der Regu­lierung von bewaffneten Drohnen, des Welt­raums oder der künst­lichen Intelligenz.

Bei der Finan­zierung konventioneller Waffen­zerstörungs- und Räumungs­programmen ist Deutsch­land wiederum führend, etwa bei Anti-Personen­minen und Streu­munition. In der Klein- und Leichtwaffen­kontrolle sowie dem Umgang mit Muni­tion ist Deutsch­land einer der größten Geber­staaten und bringt wichtige eigene Initiativen der maß­geschneiderten regionalen Rüstungs­kontrolle auf den Weg. Deutsche Diplomat*innen über­nehmen regelmäßig den Vorsitz oder leiten Arbeits­gruppen, etwa zur Munitions­kontrolle. So kann Rüstungs­kontrolle und Abrüs­tung in bestimmten Bereichen selbst in Krisen­zeiten gelingen. Dies gilt auch für die Chemie- und Biowaffen­kontrolle: So unterstützt Deutschland intensiv das institutio­nalisierte Vorgehen zur Aufklärung der Chemiewaffen­einsätze in Syrien. Die Implemen­tierung der Abkommen umfasst stets auch Koopera­tionsprojekte mit Partner­ländern, etwa im Bereich von Biosicherheits­programmen.

Die globa­len Krisen der letzten Jahre spiegeln sich auch im deutschem Engagement für Rüstungs­kontrolle und Abrüstung. Neben der Covid-19 Pandemie, die die inter­nationale Politik für einige Zeit zum Erliegen gebracht hatte, betrifft der in den ver­gangenen Jahren zu beobach­tende Verfall der inter­nationalen Sicherheits­architektur die Rüstungs­kontrolle direkt. Die Annexion der Krim durch Russland 2014 und der seit 2022 geführte russische Angriffs­krieg auf die Ukraine haben zu einer tiefen Vertrauens­krise geführt und die konventionelle Rüstungs­kontrolle in Europa vollends zum Erliegen gebracht. Dieser Vertrauens­verlust zwischen Russ­land und anderen, insbesondere west­lichen Staaten schlägt sich auch in anderen Rüstungs­kontrollregimen nieder. Der Aufkündigung bilateraler nuklearer Rüstungs­kontrollverträge zwischen den USA und Russland, sowie des OH-Ver­trages durch die USA unter Trump konnte Deutsch­land wenig entgegensetzen.

Die PRIF-Forscher*innen benennen weitere Para­meter, die das rüstungs­kontrollpolitische Engagements Deutsch­lands bestimmen, so etwa die NATO-Mitglied­schaft, die intensive Zusammen­arbeit mit Frankreich oder anderen Partnern. Auch die Industrie beeinflusst das deutsche Engagement. Wirtschafts­politische Interessen haben wiederholt dazu geführt, dass rüstungs­kontrollpolitische Initiativen auf der Ebene der freiwilligen Selbst­verpflichtung verblieben sind. Die Zusammen­arbeit mit zivilgesell­schaftlichen Akteuren nimmt ebenfalls einen großen Stellen­wert im deutschen rüstungskontroll­politischen Engagement ein. Deutsch­land trägt dafür Sorge, dass Nicht-Regierungs­organisationen Zugang zu den zentralen Verhandlungs­foren erhalten und nutzt die fachliche Expertise von Think-Tanks. Auch wenn die Rüstungs­kontrolle und Abrüstung in vielen Feldern in einer tiefen Krise steckt, so engagiert sich Deutsch­land routinemäßig in der Umsetzung von Abkommen oder auch im Rahmen von Organisationen wie der OSZE. So konnte beispiels­weise bis 2022 zwischen den OSZE-Partnern der Strukturierte Dialog als eines der wenigen intakten Dialog­foren zwischen dem Westen und Russland stattfinden.

Angesichts der aktuellen welt­politischen Lage kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass Deutsch­land seine rüstungs­politischen Initiativen als Mittel der Vertrauens­bildung nutzen sollte. Die deutsche Vermittler­rolle bietet eine Basis dafür, koopera­tive Beziehungen für eine Zeit nach dem Ende des russischen Angriffs­krieges auf die Ukraine zu erneuern. Die gegen­wärtige Sicher­heits- und Verteidigungs­politik mit rüstungskontroll­politischen Initiativen zu flankieren, kann, so die PRIF-Autor*innen, Impulse für den künftigen Wieder­aufbau von Kooperations- und Verteidigungs­beziehungen setzen. Das fortgesetzte deutsche Engagement in der Rüstungs­kontrolle ist demnach ein wichtiger Beitrag zum Erhalt und zur Stärkung der multi­lateralen Welt­ordnung, auch wenn diese zunächst nur in kleinen Schritten voran­gebracht werden kann.

Hier geht es zu der Studie als Download.

Weitere Infor­mationen und Publi­kationen finden sich auf der Green­peace-Website.