Drifting Apart: Abspaltungsprozesse in den Internationalen Beziehungen

Matthias Dembinski und Dirk Peters geben neue Ausgabe der Fachzeitschrift Historical Social Research (HSR) heraus

HM Government advises to "Get ready for Brexit" on an advertising board

Photo: Duncan Cumming/Flickr | CC BY-NC 2.0

Welche Folgen hat die Abkehr von Staaten von inter­nationalen Institu­tionen? Dieser Frage widmet sich die aktuelle Aus­gabe der Fach­zeitschrift Historical Social Research (HSR) unter dem Titel „Drifting Apart“, die von Matthias Dembinski und Dirk Peters heraus­gegeben wurde. Die Ausgabe enthält zudem einen Beitrag von Mikhail Polianskii zu Russland sowie von Dirk Peters zum Brexit. 

Abspaltungs­prozesse können nicht nur die inter­nationalen Institu­tionen betreffen. Sie können sogar zwischen­staatliche Bezie­hungen erheblich beein­trächtigen, denn sie ver­stärken häufig Spannungen zwischen aus­tretenden und ver­bleibenden Staaten. Der Brexit wie auch Trumps De-facto-Blockade der Welt­handels­organisation sind derzeit sicht­barer Ausdruck dafür, dass sich Staaten von der inter­nationalen Zusammen­arbeit abkehren. Obwohl die Folgen solcher Abspaltungs­tendenzen von hoher politischer Bedeutung sind, wurden sie bisher kaum in der wissen­schaftlichen Forschung berück­sichtigt. Hier will der vor­liegende Band Abhilfe schaffen, denn ein besseres Ver­ständnis dieser Prozesse könnte zur Ent­wicklung von neuen Strategien und damit zu einer Ent­schärfung möglicher Konflikte beitragen.

Die HSR-Ausgabe enthält neben einer program­matischen Ein­führung fünf histo­rische und aktuelle Fall­studien. Die Themen im Einzelnen sind: Irans Distan­zierung vom Westen, der Au­stritt Ost­deutschlands aus dem War­schauer Pakt, Russ­lands Ausstieg aus der euro­päischen Sicherheits­kooperation, Chinas Distan­zierung von den globalen Finanz­institutionen sowie der Brexit. Allen Forschungs­beiträgen liegt die Frage zugrunde, ob und wie sich die Hand­habung von Abspaltungs­prozessen auf die Beziehungen zwischen aus­tretenden und ver­bleibenden Staaten aus­wirkt.

In allen Fall­studien konnten die Forschen­den beo­bachten, dass sepa­ratistische Prozesse Spannun­gen zwischen Staaten ver­stärken. Wie stark diese sind, hängt davon ab, wie mit der Dis­tanzierung um­gegangen wird. Sie ver­stärken sich insbesondere dann, wenn es in den Kon­flikten um grund­legende Normen und Werte geht. Sind indes Verteilungs­konflikte der Haupt­grund für Prozesse der Ab­spaltung, wirkt sich dies weniger negativ auf die zwischen­staatlichen Beziehungen aus.

Auf­grund des aktuellen Trends zur De-Globalisierung, also einer teil­weisen Abkehr von Globalisierungs­bestrebungen, gehen Forschende davon aus, dass Staaten in Zukunft auch weiterhin Ver­bünde verlassen werden. Für ent­sprechend wichtig erachten sie eine intensive Be­forschung der Folgen von Abspaltungs­tendenzen.

Über das Projekt „Drifting Apart“

Das Projekt Drifting Apart unter­sucht seit 2019 ver­gleichend den Verlauf und das Er­gebnis von historischen und aktuellen Dissoziations­prozessen und versucht Faktoren zu iden­tifizieren, die Spannungen zwischen den beteiligten Staaten aus­lösen, ver­stärken oder ab­mildern. Es wurde unter Feder­führung der HSFK im Leibniz-Forschungs­verbund "Krisen einer globalisierten Welt" entwickelt und bringt vier Leibniz-Institute zusammen: Die HSFK, das German Institute of Global and Area Studies (GIGA, Hamburg), das Institut für Zeit­geschichte (IfZ, München) und das Zentrum für Zeit­historische Forschung (ZZF, Potsdam). Das Projekt wird von der Leibniz-Gemein­schaft aus Mitteln des Leibniz-Wett­bewerbs gefördert.