Indigene Justiz in Peru und Ecuador

Konsensorientiert und dynamisch: Rechtssysteme der Dorfgesellschaften fokussieren Konfliktlösung und friedliches Zusammenleben - neues PRIF Working Paper

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Die indigenen Dorfgemeinschaften in Peru und Ecuador haben aus Gründen der kulturellen Identität und weil der Staat nicht in der Lage ist, sie vor der verbreiteten Kriminalität zu schützen, ihre traditionellen Justizsysteme aufrechterhalten. Obwohl diese Gerichtsbarkeit verfassungsrechtlich anerkannt wurde, ist sie nach wie vor rechtlich und politisch umstritten. Die Konflikte entzünden sich im Wesentlichen an der Kompetenzabgrenzung zwischen den staatlichen und kommunalen Instanzen. Der Grund ist, dass es in beiden Ländern der Gesetzgeber bisher unterlassen hat, den jeweiligen Verfassungsaufträgen zu folgen und Gesetze zur Koordinierung der Justizsysteme zu erlassen. Angesichts der sozialen Bedeutung der indigenen Justiz als wichtigstes Instrument der interpersonalen Konfliktlösung und der Aufrechterhaltung des friedlichen Zusammenlebens in den dörflichen Gemeinschaften einerseits und des weiterhin schwelenden Konfliktes über die Grenzen dieser Justiz andererseits, liegen erstaunlicherweise nur wenige empirische Forschungsergebnisse über die Praxis der indigenen Justiz vor. Auf diese Lücke zielt die vorliegende Studie. Sie untersucht die Prinzipien und rechtlichen Normen, die der indigenen Justiz zugrunde liegen, ferner die ihr immanenten Probleme, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der in die Studie einbezogenen Rechtskulturen, die Entwicklungstrends und die Faktoren, die den Wandel begünstigen.

Working Paper No. 37 "„Justice is achieved if peace is restored“. Indigenous Justice,Legal Pluralism, and Change in Peru and Ecuador" von Hans-Jürgen Brandt basiert auf einem Mix empirischer Methoden und belegt, dass die indigene Justiz in erster Linie konsensorientiert ist. Ihr wesentliches Ziel ist, den durch die Straftat gestörten kommunalen Frieden wiederherzustellen und die Straftäter in die dörfliche Gemeinschaft zu reintegrieren. Die angewandten Normen und Praktiken sind jedoch nicht statisch: Die immer wieder zu lesende Meinung, die kommunalen Rechtssysteme basierten auf angestammten, "uralten" rechtlichen Regeln, erweist sich als Mythos. Die Studie zeigt, dass die Rechtssysteme der Dorfgemeinschaften dynamisch sind: Traditionelle Normen, die den Entwicklungsinteressen der Dorfgemeinschaft widersprechen, werden durch neue Normen ersetzt; viele davon sind aus dem staatlichen Recht abgeleitet – wie zum Beispiel Schutzrechte der Frauen gegen genderspezifische Gewalt. Zu den Faktoren, die nach Meinung der befragten lokalen Repräsentanten einen Wandel fördern, zählen anwendungsorientierte Fortbildungs- und Beratungsprogramme von Nichtregierungsorganisationen, insbesondere zu Menschenrechtsfragen.

Download (pdf, 656kb): Brandt, Hans-Jürgen (2017): „Justice is achieved if peace is restored“. Indigenous Justice, Legal Pluralism, and Change in Peru and Ecuador, PRIF Working Papers No. 37, Frankfurt/M.