Nach fast 20 Jahren verabschiedete die HSFK Prof. Dr. Harald Müller als geschäftsführendes Vorstandsmitglied und als Leiter des Programmbereichs I "Sicherheits- und Weltordnungspolitik von Staaten". Aus diesem Anlass veranstaltete die HSFK am 13. und 14. Oktober 2016 die internationale Konferenz „World Order and Peace”. Die Veranstaltung wurde von der Deutschen Stiftung Friedensforschung gefördert.
Die Konferenz nahm bestimmende Themen der Friedensforschung der letzten Jahrzehnte in den Blick und fragte gleichzeitig, welche dieser Fragestellungen heute in einer „aus den Fugen geratenen Welt“ überhaupt noch Relevanz haben. Was kann und muss die Friedensforschung weiter im Blick behalten, welche Erkenntnisse sind auch heute noch essenziell und welche Fragen sind inzwischen beantwortet? Im Zentrum der Diskussionen stand die Gestaltung von Institutionen und die daraus resultierenden Kooperationschancen, der demokratische Frieden oder die Frage nach globaler Gerechtigkeit.
Im Rahmen von Panel I – Norms, Institutions and Cooperation – stand die Frage nach der Herausbildung und der Erosion politischer Ordnungen im Mittelpunkt. Was passiert infolge von Normerosionen: Entstehen dann normfreie Räume oder werden erodierende Normen durch neue ersetzt? Und wann tritt welcher Fall ein? Kann es überhaupt normfreie Räume geben? Hier sollte zukünftige Forschung ansetzen. Aber auch die Bedeutung zukünftiger Regimedesigns wurde diskutiert, z.B. in Hinblick auf größere Flexibilität.
Das zweite Panel – Democratic Peace and Democratic Wars – teilte die Einschätzung, dass Fragen zum demokratischen Frieden in den letzten Jahren zu Unrecht weniger Beachtung in der Forschung erhalten haben. Dass auch weiterhin eine Politik des demokratischen Friedens bzw. Krieges zum Kern eines liberalen Internationalismus zähle, mache die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema für die Friedensforschung aber zu einer Notwendigkeit. Auch wurden in der Verbindung verschiedener, bislang getrennter Forschungsperspektiven zum Demokratischen Frieden neue Impulse verortet - z.B. in der Frage des Zusammenspiels spezifischer außenpolitischer Rollen- und Normvorstellungen und der institutionellen Ausgestaltung parlamentarischer Kontrollrechte.
Panel 3 – Arms control in Crisis? The example of the NPT – setzte sich mit Rüstungskontrolle am Beispiel des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrages auseinander. Dabei waren sich die Panelisten einig, dass die großen Hoffnungen, die gerade nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes herrschten, inzwischen verflogen sind. Vielmehr sei Rüstungskontrolle heute mehr in der Krise denn je. Deshalb sei es die Aufgabe der Friedensforschung, die Bedingungen umfassender Rüstungskontrolle weiter herauszuarbeiten. Dabei wurde auch hier die besondere Bedeutung der Demokratie bei der Einhaltung internationaler Abrüstungsabkommen hervorgehoben.
Panel 4 – Justice, Peace, and Governance – machte das aktuelle Forschungsprogramm der HSFK zum Thema, das die Rolle von Gerechtigkeitsforderungen und Gerechtigkeitskonflikten für Frieden und Krieg untersucht. Einig war sich das Panel in der Einschätzung, dass das Streben nach Gerechtigkeit von zentraler Bedeutung für den Austrag von Konflikten und die Gestaltung von Weltordnung ist, von einer rationalistisch und materialistisch geprägten Forschung aber regelmäßig unterschätzt wird. Mit Blick auf aktuelle, weltpolitische Entwicklungen betonten die Podiumsteilnehmer das spannungsreiche Verhältnis von Gerechtigkeit und Ordnung und die Gefahr einer von Ungerechtigkeitswahrnehmungen getriebenen Unterminierung kooperativer Institutionen. Vielversprechende Konfliktlösungen zeigten sich da, wo die Gerechtigkeitsforderungen der Parteien ernst genommen werden.
Darüber hinaus entwickelte das Abschlusspanel eine Perspektive für die Friedensforschung der nächsten Jahre. Politikwissenschaft und Friedensforschung hätten sich zwar schon vor Jahrzehnten mit vielen aktuellen Fragen auseinandergesetzt – dieses Wissen sei aber oftmals nicht mehr präsent. Hinzu komme, dass sich Forschung zu oft an politischen Stimmungen ausrichte, was sich bis in die präferierten Theorien niederschlage. Es sei aber gerade die Verantwortung der Wissenschaft, Kontrapunkte gegen Stimmungsströmungen zu setzen. Solide empirische Forschung und klare normative Positionierung sollten nicht als Widersprüche, sondern als sich gegenseitig ergänzend verstanden werden.
World Order and Peace – Das Konferenzprogramm zum Download (pdf)
Grußworte:
- Prof. Dr. Nicole Deitelhoff, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied
- Dr. Beatrix Tappeser, Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
- Prof. Dr. Tanja Brühl, Vizepräsidentin der Goethe Universität Frankfurt
- Dr. Thomas Held, Geschäftsführer der Deutschen Stiftung Friedensforschung
- Prof. Dr. Sebastian Lentz, Leiter des Leibniz-Instituts für Länderkunde
- Dr. Patricia Flor, Federal Government Commissioner for Disarmament and Arms Control, Auswärtiges Amt
Keynote speech:
- Prof. Dr. Thomas Risse, Professor für Internationale Beziehungen, Leiter der Arbeitsstelle Transnationale Beziehungen, Außen- und Sicherheitspolitik an der Freien Universität Berlin