Wahrnehmungen von Zwang: AU und ECOWAS Interventionen in Gambia und Guinea-Bissau

In den vergangenen zwanzig Jahren haben die Afrikanische Union (AU) und die Wirtschafts­gemeinschaft West­afrikanischer Staaten (ECOWAS) erhebliche Handlungs­fähigkeit bei der Gewähr­leistung von Frieden und Sicherheit auf dem Kontinent bewiesen indem sie politische Ordnungen und Lebens­welten gestalten. In der Interventions­literatur werden diese afrikanischen Inter­ventionen als kaum oder frei von Zwangs­mitteln geprägt dargestellt, was ihnen im Vergleich zu den umstritte­neren „westlichen“ Interven­tionen mehr Legitimität attestiert.

Das Dissertations­projekt stellt diese Annahme in Frage, indem es argu­mentiert, dass Inter­ventionen inhärent mit Zwangs­mitteln agieren, da sie auf eine nor­mative Krise reagieren und versuchen, Ordnung zu schaffen. Vorläufige Feld­forschung legt nahe, dass Zwang mehr­deutiger ist als seine übliche negative Konnotation glauben lässt und dass Wahr­nehmungen von Zwang entlang von Para­metern wie Raum, Positio­nalität und Zeit auseinander­fallen. Dabei gibt es einen Kipp­punkt zwischen legitimem und illegiti­mem Zwang, der in der Tat die Legi­timität der Inter­vention und den Versuch der regionalen Ordnungs­bildung prägt. Ausgehend von diesen Annahmen stellt dieses Dissertations­projekt folgende Fragen: Wie viel Zwang wenden afrikanische Inter­ventionen an? Was ist Zwang für wen und unter welchen Umständen? Warum fallen Wahr­nehmungen von Zwang auseinander und wie wirkt sich dies auf die regionale Ordnungs­politik aus?

Auf der Grundlage ethno­graphischer Forschungs­elemente wie Beobachtung, Immersion, (Nicht-)Eliteninterviews und Fokusgruppen­forschung in Gambia und Guinea-Bissau untersucht dieses Dissertations­projekt (1) die Wahr­nehmung von Zwang in diesen beiden Fall­studien, um aufzuzeigen, wie die von den Inter­ventionen Betroffenen den Zwangs­charakter der Inter­ventionen wahr­nehmen und was für sie Zwang darstellt. In einem Vergleichs­design zwei ähnlicher Fälle identifiziert dieses Projekt (2) Faktoren, warum diese Wahr­nehmungen auseinander­fallen, und (3) wie diese den Anspruch und die Legiti­mität regionaler Ordnungs­politik beeinflussen.